Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

THE ENCHANTED ISLAND
(Händel, Rameau, Vivaldi u.a.)
21. Januar 2012

Live-Übertragung aus der Metropolitan Opera New York

Cineplex Münster


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Großes Barockspektakel

Alte Musik im neuen Gewand. Die Metropolitan Opera fügt wundervolle Barock-Musik aus den Federn von Händel, Rameau, Vivaldi und anderen Komponisten zu einer neuen Oper zusammen. Jeremy Sams schreibt das englische Libretto zur Musik, schickt die vier Liebenden Lysander, Demetrius, Helena und Hermia aus Shakespeares Sommernachtstraum auf Prosperos Insel aus dem Sturm. Prospero will mit Hilfe des Luftgeistes Ariel seine Tochter Miranda mit dem Prinzen Ferdinand verkuppeln, doch die Liebeszauber treffen die falschen. Ebenfalls auf der Insel lauert die Hexe Sycorax mit ihrem Sohn Caliban auf die Chance, die Herrschaft über die Insel zurückzugewinnen.

Die musikalische Zusammenstellung, die Jeremy Sams und William Christie vorgenommen haben, gelingt insgesamt sehr gut, die diversen Feinheiten der Komponisten fügen sich spannend zusammen. Vor allem überrascht positiv, dass nur wenige wirklich bekannte Ohrwürmer der Epoche ausgewählt wurden und viel musikalisches Entdeckungspotenzial in der Oper besteht. Weniger geglückt ist der Spannungsaufbau der Oper, wo sich gerade im zweiten Akt große Längen offenbaren, die man zu Gunsten einer gründlichen Auflösung gewählt hat. Ganz klassisch im Sinne der Epoche löst der Auftritt eines Gottes, in diesem Fall der Gott Neptun, den Knoten der Verwicklung auf.

Das Regieteam löst seine Aufgabe sehr beachtlich und bringt ein farbenfrohes, lebendiges Stück auf die Bühne. Vor allem dank der so fantasievollen, detailgetreuen Kostüme von Kevin Pollard und dem Bühnenbild von Juian Crouch gibt es eine Menge zu sehen. Ein großes, reich verziertes Bühnenportal beherrscht die Bühne, macht den vorderen Bereich zur schön begrenzten Aktionsfläche und den Hintergrund zur wandelbaren Illustration, von der Grotte mit Ranken bis zur stürmisch aufgewühlten See ist hier alles möglich. Mit der technischen Umsetzung von Brain MacDevitt werden Zaubersprüche, aufgehende Blüten und Wellen zum Leben erweckt. Regisseur Phelim McDermott bewegt die Figuren mit vielen Einfällen durch dieses optimale Szenario. Mit viel Augenzwinkern, aber auch mit dem Gefühl für das barocke Drama, wird er der Situation überaus gerecht. Im Gedächtnis bleiben dabei vor allem die vielen Pointen, zum Beispiel, wenn Ariel im Taucheranzug zu Neptun herabsteigt. Eine Inszenierung, die wie geschaffen ist für die Übertragung ins Kino. Schade ist nur, dass die Kamera zuweilen Mühe hat, die vielen kleinen Details wirklich scharf auf die Leinwand zu bringen. Da hätte man auf manchem Aspekt auch noch ein paar Sekunden länger verweilen können, zumal die barocke Musik mit ihren Wiederholungen nicht die ständige Beobachtung der Sänger braucht.

Die gesanglichen Leistungen passen sich der detailreichen optischen Umsetzung an und glänzen mit ihren agilen Stimmen. Die Met begeht einmal mehr den peinlichen Fehler und führt die Namen der vier Liebenden Lysander, Demetrius, Helena und Hermia nur einmal kurz im Abspann auf, zum Mitschreiben zu kurz. Weder auf dem Programmzettel noch auf der Homepage sind die Rollen genannt und werden schließlich auf der Homepage eines Radiosenders gefunden. Dabei sind die vier jungen Künstler Layla Claire, Elizabeth DeShong, Paul Appleby und Elliot Madore mehr als nur eine solide Stütze des Ensembles, sondern herrliche Sänger und Schauspieler.

Anthony Roth Costanzo als Ferdinand hat weniger zu singen und bewältigt seine Arie mit viel Gefühl. Schade, dass genau in diesem Augenblick der – einmalige – totale Stillstand von Bild und Ton stattfindet, der fast 20 Sekunden lang anhält. Man kann spüren, wie der Zauber, der in diesem Augenblick das Kino beherrscht, bricht. Lisette Oropesa bringt für die Miranda den passenden schönen Silberklang mit. An seinem 71. Geburtstag gibt Placido Domingo mit würdiger Erscheinung und Stimme einen glaubhaften Neptun. Luca Pisaroni stellt seine aufsteigende Karriere auch in der Rolle des Caliban nachdrücklich unter Beweis, schön fokussiert im Klang, sehr agil in den Koloraturen und mit großer Spielfreude, die man ihm selbst hinter der genialen Maske ansieht. Publikumsliebling Danielle de Niese wirbelt als Ariel quirlig über die Bühne, führt ihren schlanken Sopran ganz leicht in luftige Höhen und über aberwitzige Intervallsprünge in dunkle Tiefen. Eine starke Leistung, die für viel für viel Freude sorgt.

David Daniels hat für den Prospero eine sehr virile Erscheinung, die leicht im Gegensatz zu seinem lyrischen Countertenor steht. Dieser Umstand wird durch die grandiose technische Bewältigung der Partie aber wieder wett gemacht. Die Krone des Gesangs erobert in dieser hervorragenden Besetzung aber immer noch Joyce DiDonato. Es ist beeindruckend, wie sauber und energiegeladen die Künstlerin ihre Koloraturen auf dem ganzen Körper singt. Ihr ganzer Auftritt strahlt eine besondere Sympathie aus.

William Christie fordert vom Orchester ein spritziges, schlankes Spiel, was die Musiker nicht immer punktgenau umsetzen, aber den Puls der Musik doch sehr mitreißend wiedergeben. Man merkt schon, dass dies nicht das Standard-Repertoire des Orchesters ist. Auch den etwas groben Chor der Met hat man schon klangschöner gehört.

Trotz dieser kleinen Einschränkungen eine überzeugende Darbietung, die die Längen im Libretto geschickt kaschiert. Eine schlechtere Besetzung hätte da andere Folgen haben können. Das Publikum in New York zeigt sich enthusiastisch und selbst in Münsters Kino wird mehr geklatscht als sonst üblich. Die Met geht mit dieser Produktion natürlich mit der Mode der Pop- und Filmindustrie, wo man alte Elemente schon seit längerem neu zusammen mischt, weil es an Mut und Kreativität für neue Ideen fehlt. Ob man dem Genre damit einen Gefallen tut, bleibt abzuwarten.

Christoph Broermann

 



Fotos: Ken Howard