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Fakten zur Aufführung 

DON PASQUALE
(Gaetano Donizetti)
29. März 2014
(Premiere am 25. Oktober 2012)

Staatstheater am Gärtnerplatz München, Cuvilliéstheater


Points of Honor                      

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In Amors Wartezimmer

Sei lieb zu Amor, sonst ergeht es dir schlecht. Unter diesem Motto wird der gelungene Don Pasquale in der Regie von Brigitte Fassbaender wieder aufgenommen. Darum hängt ein verschmitzter kleiner Porzellan-Eros von der Bühnendecke herab. Manchmal senkt er sich zu den Liebenden oder flieht vor dem geifernden Pasquale, der nach ihm ausholt. Ein kleines Bild, das den Stil dieser zurückgenommenen Inszenierung ideal verkörpert. Fassbaender verlegt die Handlung in die 1950-er Jahre, konzentriert sich aber weniger auf den lauten Klamauk des Textes oder psychologisierende Untertöne, die sich bei Donizetti schwerlich fänden, sondern kümmert sich laut ihrer Aussage um die „inneren Befindlichkeiten dieser nicht sehr sympathischen Figuren“. Anders gesagt arbeitet sie passgenaue Personenregie heraus und baut ihren Sängern einen Spielplatz für pointensicheres Boulevardmusiktheater. Dr. Malatesta behandelt hier beispielsweise als leicht sadistischer Zahnarzt die Wehwehchen seines Patienten. Die notwendigen Ahs dazu liefern die hübschen Donizettikoloraturen gleich mit. Und damit tritt ein zweiter Punkt hervor, der die Sängerregie Fassbaenders auszeichnet: Sie inszeniert nicht nur Libretto und Musik aus einem Guss, sondern auch Donizettis gerne effektheischerische Intention. Dazu macht sie sich sogar die Übertitel zunutze: „Es folgt ein Schnellsprechwettbewerb“ bewirbt das Schriftband das Duett von Pasquale und Malatesta, dass gleich als Reprise im Fred-Astaire-Stil noch einmal fürs Publikum wiederholt wird. Den gelenkten Applaustusch der Musik bräuchte das beschwingte Publikum bei solcher Bühnenführung gar nicht. Für weitere Schauwerte tritt der Chor schon früh als Statisterie-Ersatz vielseitig in Erscheinung; da nutzt einer ehemaligen ökonomisch denkenden Intendantin die Erinnerung an ihre Innsbrucker Tage. Als zahngeschmerzte Kranke, allerlei Trauernde und schließlich auch als singende Domestiken kommt der spielfreudige Gärtnerchor voll auf seine Kosten. Musikalisch lässt er beim berühmten Nachschmachtständchen Ernestos nichts zu wünschen übrig.

Die Handlung tritt dabei nicht zurück. Fassbaender zeichnet einen kleinen grollenden Giftzwerg, der kontinuierlich vom Überweiblichen übermannt wird. Dazu formuliert sie ihre offensichtliche Lieblingsrolle der Norina als kesse, emanzipierte femme fatale genüsslich aus, bis sie als Ehedrache die sprichwörtlichen Hosen anziehen darf. Diese liefert im zurückgenommenen, jedoch edlen Vintagestil ebenso wie das gescheite Bühnenbild Fassbaenders Stammausstatterin Bettina Munzer. Mit vielseitig aus den Seiten geschobenen Würfeln, einem Fenster nach hinten und einer schimmernden blauen Spielfläche ergänzt sie das Regiekonzept. Wie schön, dass das Gärtnerplatztheater neben den neuen Großspektakeln in der Puppenstube des Cuvilliéstheaters noch solche Gegenakzente mit feiner Komödie auf hohen Niveau erhält.

Die Sänger danken es. Die sehr junge Anja-Nina Bahrmann liefert eine Norina ab, als sänge sie seit Jahren nichts anderes als Donizettis schwierigen Belcanto. Dabei kommt sie von Strauss, steigt jedoch mühelos in den Koloraturhimmel; im Liegen wie im kessen Spiel gewinnt sie die Herzen aller drei Herren und des Publikums gleich dazu. Marco Filippo Romano könnte es ebenso gehen, den Glanzbariton dazu hat er und den Pasquale verinnerlicht der Italiener mit einem Sinn für Donizettis komplizierte, schwindlig schnelle Duette bravourös, würde er sich nicht zu einem Karikaturenspiel des überzogenen Wüterichs verleiten lassen, dass ihn Fassbaender fast schon zwangsläufig für seine Auftrittsarie auf einen hohen Zahnarztstuhl verbannt, damit er weniger Faxen machen kann. Etwas mehr Spielfreude hätte man dagegen Malatesta Vittorio Prato gewünscht, der szenisch blass bleibt, jedoch im Zusammenspiel mit Bahrmann und Romano gewinnt. Die Rollenübernahme gelingt ihm sängerisch mühelos, im Spiel zeigen Statur und Stimme mehr Präsenz als seine etwas steife Darstellung. Jesus Alvarez startet sehr kalt und abgedunkelt, vom Orchester zugedeckt mit seinem Ernesto, kann sich für sein großes Liebeslied dann erwärmen, bleibt aber als Donizetti-Interpret nicht in Erinnerung.

Das Orchester leider schon. Mag es am Cuvilliéstheater liegen, am neuen Dirigenten Michael Brandstätter, der bislang am Gärtnerplatz eher Hallen füllen musste, vielleicht auch am scheppernden Orchester, aber Donizetti klingt bei diesem Pasquale ausgesprochen schrill, die Bläser durchweg zu laut und nicht makellos. Belcanto hört sich anders an. Schade, dass das vielseitige Gärtnerorchester bei diesem Donizetti wie eine Blaskapelle dröhnt. Das drückt auch das den Sängern sehr gewogene Publikum des vollbesetzten Hauses mit klaren Begeisterungsunterschieden aus.

Die Regie und Fassbaenders Unterstreichung des Arte der Commedia entschuldigt das. So entsteht ein durchdachter, humorvoller Opernabend, der jedes Stoßgebet an Amor rechtfertigt, damit der Schönklang Donizettis und sein feiner Humor auch weitergetragen werden mögen. Eros sei Dank.

Andreas M. Bräu

Fotos:
Thomas Dashuber/Christian Zach