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Fakten zur Aufführung 

LES CONTES D'HOFFMANN
(Jacques Offenbach)
19. September 2012
(Live-Übertragung aus der
Opéra de Bastille)

Schlosstheater Münster


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Paris ist auf Sendung

Konkurrenz ist auch für das Geschäft mit den Opernübertragungen belebend. Nachdem die Metropolitan Opera sozusagen die Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet hat, dadurch andere Opernhäuser und Festspiele inspiriert hat, präsentiert sich nun auch die Opéra National de Paris mit drei Opern im Kino. Den Anfang macht Hoffmanns Erzählungen, wobei diese Wahl nicht von großer Risikobereitschaft der Intendanz zeugt. Schließlich ist Robert Carsens kluge Inszenierung längst auf DVD verewigt, noch dazu mit den kaum zu übertreffenden Neil Shicoff und Bryn Terfel. Doch dieses Revival ist im Kino durchaus sehenswert. Das Schlosstheater mag zwar nur der kleine Bruder des großen Cineplex sein, doch bietet das traditionsreiche Kino eine ebenso herzliche, fast intime Theater-Atmosphäre. Mit der technischen Umsetzung befindet sich Paris auf einen guten Weg. Ab und an haftet die Kamera zu lange auf einem Sänger und verliert die Bühne aus den Augen. Schön zu sehen ist, dass die Bildschärfe nur selten zu wünschen übrig lässt. Wünschenswert dagegen wären noch mehr Einblicke hinter die Bühne. Die Untertitel sind während der Oper absolut präzise, bei den Interviews aber sind sie den Fragen von Alain Duault voraus. Beim Ton fällt zuweilen eine etwas unausgeglichene Abmischung auf, die dem Orchester einen kleinen Vorteil verschafft.

Das Orchester der Opéra national hat auch einen wirklich schönen Klang zu bieten. Tomas Netopil entlockt ihm stellenweise etwas zu große Romantik, achtet etwas zu viel auf manches Detail zum Nachteil eines großen Bogens. Wirklich störend ist nur die endlose Fermate für Sänger und Orchester zum Schluss, die manchen Solisten auch in der Intonation an schmerzliche Grenzen bringt. Doch insgesamt ist das vokale Niveau recht hoch. Nachbessern muss Patrick Marie Aubert bei seinem Chor, der mit uneinheitlichen Einsätzen zum Schleppen neigt. Bei den kleineren Rollen gebührt Cyrille Dubois für seinen engagierten, schönstimmigen Einsatz als Nathanael großer Respekt. Veteran Jean-Philippe Lafont überzeugt als Luther und Crespel. Eric Huchet vermeidet dankenswerterweise jede groteske Übertreibung der vier Dienerrollen. Franck Ferrari führt die vier Bösewichter mit menschlicher Bosheit vor, bringt seine starke Stimme für dramatische Höhepunkte ein, doch fehlt ihm auch etwas die schöne Legatolinie in der Gestaltung. Stefano Secco beeindruckt als Hoffmann zunächst einmal durch seine Kondition, die es ihm ermöglicht, die schwierige Rolle mit einer geschlossenen Leistung zu singen. Leider fehlt es ihm zum einen in der Höhe an tenoralem Glanz, zum anderen bleibt er darstellerisch ziemlich blass, selbst wenn man nicht Neil Shicoff auf der DVD vor Augen hat. Restlos überzeugen die vier Damen dieser Aufführungen: Sophie Koch setzt ihre große Gestalt samt attraktivem Mezzo für die Kurtisane Giulietta ein. Das Schicksal der Antonia vermag bei Ana Maria Martinez wirklich zu berühren, so herrlich fließt ihr schöner Sopran durch die Sätze dieser Partie. Kate Aldrich setzt als Muse mit dunkel timbrierten Mezzo und szenischer Präsenz tatsächlich kreative Energien frei. Geradezu grandiose Töne feuert Jane Archibald ab, die noch dazu umwerfend komisch als Puppe Olympia über die Bühne wackelt.

Dieses Ensemble bringt sich mit viel Eifer in das Konzept von Robert Carsen ein, der diesen Hoffmann in der Welt des Theaters interpretiert und damit ideal auf die Grenzen zwischen Schein und Sein eingehen kann. Michael Levines Bühnenbilder sind die Bilder einer Bühne: Der Prolog spielt in der Kantine eines Theaters, im ersten Akt tanzt Olympia hinter den Bühenbildern des Don Giovanni, jener Oper, die die Rahmenhandlung für den Hoffmann stellt. Besonders stark ist der zweite Akt, der ja in München spielt: Hier sieht man den Orchestergraben und die Rampe samt dem Vorhang der Bayerischen Staatsoper. In diesem Graben dominiert Dr. Miracel in der Funktion des Dirigenten, während der nächste Schurke Dapertutto als Regisseur den Venedig-Akt inszeniert. Der ist an der Rampe mit Sicht auf den Zuschauerraum angesiedelt, dessen Sessel im Takt des Barcarolen-Walzer hin und her wogen.

Insgesamt also eine sehenswerte Interpretation sowie ein gelungener Auftakt einer weiteren Übertragungsreihe, die aber ein ganz großes Manko nicht vergessen machen kann: Der Sendetermin mitten in der Woche und dem Ende um 23 Uhr ist alles andere als arbeitnehmerfreundlich. Dennoch kann man nur hoffen, dass sich davon nicht zu viele Opernfreunde abschrecken lassen.

Christoph Broermann

Fotos: Christian Leiber