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Fakten zur Aufführung 

CHARLEYS TANTE
(Ernst Fischer/Alexander Krampe)
9. Februar 2014
(Premiere)

Kammeroper München, Künstlerhaus am Lenbachplatz


Points of Honor                      

Musik

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Spritzige Tante aus Brasilien

Wir kennen sie alle: Die elegante reiche Tante aus Brasilien. Eine Travestie-Komödie aus dem prüden viktorianischen England. Ein Welterfolg dank vieler hervorragender Schauspieler, die sich in Frauenkleidern auf die Bühne, vor die Kamera stellten. Jetzt wird sie auch zur Operette – ein Vorhaben der Kammeroper München erlebt seine Premiere im Künstlerhaus in München. Die Musik liefert der in Vergessenheit geratene Berliner Komponist Ernst Fischer.

Seit seiner Uraufführung erlebt das Stück des britischen Autors Brandon Thomas einen unvergleichbaren Erfolg und zählt mittlerweile zu den beliebtesten Komödien überhaupt. Zahlreiche Verfilmungen in verschiedenen Ländern haben das untermauert. Wer hat nicht selbst herzhaft gelacht, wenn Heinz Rühmann oder später Peter Alexander in dieser Rolle in Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders reüssierten? Viele große Namen habe diese Rolle des Lord Fancourt Babberley in Frauenkleidern gespielt: Rex Harrison, Sir Alec Guiness, Oliver Hardy, Sidney Chaplin, Theo Lingen, ja auch eine russische Verfilmung hat es gegeben. Das Stück machte seinen Schöpfer Brandon Thomas reich. Er startete sein Leben als Schiffszimmermann, schloss sich einer Theatergruppe in London an und schuf zahlreiche Werke, doch nur die Travestie-Komödie wurde im biederen England und anschließend weltweit ein Erfolg. Konzipiert als Farce, wurde es ein nachgefragtes Bühnen-Musical am Broadway, Filmkomödie, Theaterstück und jetzt in München eine Operette.

Die Musik stammt vom dem deutschen, in Vergessenheit geratenen Komponisten Ernst Fischer. Geboren in Berlin, war er ein musikalisches Wunderkind, spielte vierhändig mit Paul Hindemith und schrieb sich mit 16 im Konservatorium ein. Er arbeitete als Stummfilmbegleiter, Dirigent und Komponist für Radiorundfunkorchester. Er schuf eine Vielzahl von Orchester- und Instrumentalwerken und lieferte so umfangreiches Material für den Arrangeur Alexander Krampe. Die Musik ist geprägt von der Spätromantik, zeigt impressionistische Züge und auch der Einfluss von George Gershwin und des Jazz sind klar spürbar. Seine Kompositionen haben Ecken und Kanten, breite Klangfärbung und Dramatik. Es fehlt die komische Komponente, die Leichtigkeit und der lockere Schwung – aber der Bruch zu den filmischen Vorbildern der Nachkriegszeit war gewollt. Auch die Handlung wird bewusst an den ursprünglichen Spielort, das viktorianische, prüde Oxford gelegt. Dort laufen die verschiedenen Fäden der Geschichte in Charles Wykehams nobler Studentenbude mit Butler zusammen, und die Farce nimmt ihren Lauf.

Geschickt wird mit einfachen Mitteln Regie geführt, für die sich Dominik Wilgenbus verantwortlich zeigt. Es bewegt sich viel, Tempo ist auf der Bühne angesagt, ohne hektisch zu wirken. Das Spiel ist spritzig, überzeugend, Komik entsteht natürlich und situationsbezogen. Das junge Ensemble hat merklich Spaß in der Zusammenarbeit, zeigt Leidenschaft und viel Engagement inklusive akrobatischer Einlagen, sehr zur Erheiterung des Publikums. Der Berliner Schauspieler Max Nowka schlüpft noch ungeschickt in die Frauenkleider, um dann schnell die reiche Tante aus Brasilien zu mimen, deren Charme sich weder jung und alt noch Mann und Frau entziehen können – bis ins Publikum hinein. Maximilian Kiener ist überzeugend der noble, abgebrannte, lebenslustige Freak Charles Wykeham, der die ganze Geschichte erst inszeniert, um seine Angebetene Amy Spettigue, gespielt von Anne Steffens, heiraten zu können. Katharina Konradi bringt mit ihrer frischen Stimme viel Leben in die Rolle der Ela Delahay. Katharina Blaschke bleibt blass in der Rolle der echten Tante Donna Lucia d‘Alvadorez.

Das kleine Orchester sitzt und spielt platzbedingt am rechten Rand der Bühne und wird von der Regie ins Spiel mit einbezogen. Das lebhafte Treiben auf der Bühne findet in der Partitur nicht immer die Unterstützung. Ernst Fischers Musik zeigt Breite, stimmungsvolle Nuancen der Melancholie und Melodramatik. Nabil Shehata dirigiert aufmerksam das Orchester der Kammeroper mit Feingefühl und geht auf die akustischen Probleme des Raumes gut ein. Eine besondere Idee liegt in der Instrumentierung. Klavierstimmen wurden auf das Marimpaphon übertragen. Dieses wird von Ria Ideta mit viel Feingefühl und Akrobatik zum Leben erweckt und bringt viel Klang, Emotion und Exotik in den großen Saal des Künstlerhauses. Es ist immer ein riskantes Unterfangen, ein so bekanntes Stück neu zu gestalten. Der Kammeroper München ist es bestens gelungen. Viel Applaus und Begeisterung am Ende für alle Beteiligten. Das Publikum nimmt die Neugestaltung mit viel Freude und Anerkennung auf und dankt den Verantwortlichen für Einsatz und Mut.

Helmut Pitsch

Fotos: Sabina Tuscany