Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LA CENERENTOLA
(Gioachino Rossini)
12. Juli 2012
(Premiere am 20.12.1980)

Bayerische Staatsoper München

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort



 

zurück       Leserbrief

Spaß ohne Haltbarkeitsdatum

Über 30 Jahre schon hält sich die grandiose Inszenierung der Cenerentola von Jean Pierre Ponnelle, der ebenfalls Kostüme und Bühnenbild entworfen hat, im Programm der Bayerischen Staatsoper. Auch in anderen Theatern dieser Welt sorgte die Inszenierung für Begeisterung, ein daraus resultierender Opernfilm, der mittlerweile auch auf DVD erhältlich ist, macht diese Interpretation unsterblich. In München bei den Festspielen hat die Inszenierung nach wie vor nichts an Schwung, Witz und Tempo verloren. Schon wenn der Vorhang aufgeht, bestaunt man das opulente Bühnenbild, wo man in vielen kleinen Details den einstigen Reichtum Don Magnificos erahnen kann, den aktuellen Verfall dagegen reichlich zu sehen bekommt. Auch der Palast des Prinzen ist in Ausnutzung der Raumtiefe durch schöne Prospekte ein Musterbeispiel für ein intelligentes, aufwändiges Bühnenbild.

Selbst wenn einige Details der Inszenierung durch den Bekanntheitsgrad natürlich keine Überraschung sind, so kann man sich doch erfreuen an den vielen kleinen Pointen. Bei Ponnelle ist Oper noch Oper: Die Darsteller brauchen nicht so zu tun, als würden sie gerade reales Leben darstellen, sondern sie dürfen die Musik, die sie singen, mit Leib und Seele genießen und haben dafür auch herrliche Aktionen bekommen, die perfekt auf Stand und Gemütszustand der Rolle gemünzt sind. Auch der Männerchor ist als Hofgefolge genauestens in das Geschehen integriert. Unvergesslich bleibt der Auftritt mit dem roten Teppich für den falschen Prinzen. Aber auch der Sturm auf das Buffet beim Finale des ersten Aktes, die Gewittermusik mit den Höflingen unter einem Regenschirm zeugen von der humoristischen Ader des viel zu früh verstorbenen Regisseurs. Vieles, was Ponnelle geleistet hat, hat nach wie vor Vorbildfunktion für heutige Inszenierungen.

Mit dem passendem Ensemble entsteht so ein unvergesslicher Opernabend. In München hat man das Glück, eine erlesene Sängerschar zu hören, die weitestgehend den Anforderungen des Belcanto gerecht werden. Das beginnt mit dem so lust- und kraftvoll aufsingenden Männerchor in der Einstudierung von Stellario Fagone. Von falscher Routine ist hier keine Spur, sondern diese Truppe ist eine szenische wie vokale Bereicherung. Glücklich kann sich die Bayerische Staatsoper schätzen, die kleine wie schwierige Rolle der Tisbe mit Eri Nakamura besetzen zu können. Ihr Sopran kann in heiklen Lagen über dem Ensemble strahlen, ohne dass das jemals schrill oder unangenehm klingt. Mit ihrer ebenfalls hervorragenden Bühnenschwester Paola Gardina hat sie den komödiantischen Auftritt und das Anbandeln an den falschen Prinzen gemeinsam. Nikolay Borchev singt den eigentlichen Kammerdiener Dandini mit Drive, Charme und Stil, doch zu oft rutscht der helle Bariton aus dem Stimmsitz und wirkt eng.

Den beiden anderen tiefen Männerstimmen gelingt die technische Gestaltung deutlich besser. Der spielfreudige Alex Esposito neigt ein wenig zu halsigen Höhen, aber seine große Arie La del ciel ist ein grandioser Showstopper, in der er die Funktion Alidoros als Spielmacher mit wendigen Koloraturen unterstreicht. Alessandro Corbelli untermauert als Don Magnifico seine besondere Stellung als Erzkomödiant und Meister des Parlando – ein Rossini-Spezialist par excellence. Lawrence Brownlee besitzt keine unbedingt große Stimme, doch weiß er seine Stärken im Belcanto so geschickt einzusetzen, dass sein Prinz Ramiro wahrlich eine Ohrenfreude ist. Seine einzige große Arie Si ritrovarla io giuro ruft angesichts der meisterlichen Koloraturen und der mühelosen Höhenflüge Begeisterung beim Publikum hervor. Das ist anfangs noch ein bisschen zurückhaltend, wenn auch freundlich im Applaus und braucht bestimmt eine halbe Stunde und einige vokale Kunststückchen, um diese vollends zu würdigen. Joyce DiDonato benötigt nur knapp sechs Minuten, um sich ihren Triumph zu ersingen. Sie muss sich vor der Vorstellung mit einer Halsentzündung ansagen lassen, die man ihr auch durchaus anmerkt. Was bei anderen Sängern zu einem Verzicht auf die Bewertung führen würde, ist bei der Mezzosopranistin nur eine kleine Anmerkung wert. Joyce DiDonato erteilt allen Sängern eine Lektion, wie man mit einer technisch sicheren Stimme auch angeschlagen einen solchen Abend bestehen kann. Ganz schlank und doch voller Wärme und Güte singt sie ihre Phrasen, gibt nur wirklich Stimme an den Stellen, wo sie es muss, und überlässt in den lauten Ensembles den anderen den Vorrang. So hat sie am Ende der Vorstellung noch genügend Stimme, um bei Non piu mesta ihre persönliche vokale Schatztruhe voller Triller und Verzierungen zu öffnen.

Die freundliche Behandlung durch den Dirigenten Antonello Allemandi, der ihr so gut wie möglich durch den Abend hilft, hätte auch an anderen Stellen für mehr Transparenz gesorgt. Stellenweise agiert das glänzend und nie schwerfällig aufspielende Orchester etwas zu laut, doch das hohe Tempo, das sich in manchen Ensembles noch halsbrecherisch steigert, verbindet sich mit dem Bühnengeschehen zu einem atemberaubenden Drahtseilakt.

Christoph Broermann

Fotos: Wilfried Hösl