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Fakten zur Aufführung 

IL BARBIERE DI SIVIGLIA
(Gioacchino Rossini)
8. September 2012
(Premiere)

Theater Münster


Points of Honor                      

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Gelungene Frischzellenkur

Um ein Haar hätte am Ende der Eiserne Vorhang die Premiere noch fast ruiniert, als er sich am Ende doch sehr knapp über die Köpfe der Sänger, die gerade zur Rampe eilen wollten, senkte. Ein kurzes Raunen im Publikum, dann wird der begeisterte Applaus wieder aufgenommen. Das „neue“ Theater Münster unter der neuen Intendanz von Ulrich Peters beginnt die Saison mit einer schwungvollen Premiere von Rossinis Barbier, für die als Regisseur Aron Stiehl verpflichtet wurde. Der setzt durchweg auf ein Gute-Laune-Konzept mit einer großen Portion Slapstick und viel Bühnenzauber. Der wird ermöglicht durch das für Münsters Verhältnisse mal wirklich aufwändige Bühnenbild von Friedrich Eggert. Auf der Drehbühne ist das komplette Ambiente von Dr. Bartolos Schönheitsklinik aufgebaut, angefangen beim schmuddeligen Hinterhof bis zum Behandlungszimmer mit niedlichem Panoramablick auf die Küste. Selbst die Lampen aus Münsters Haus hat Eggert mit einem Augenzwinkern integriert. Rosina ist hier die Kaugummi-kauende Göre, die ihren Patienten das Fett absaugt und im Dienste des beliebten Beauty-Docs Bartolo steht, ebenso wie die notorisch auf Männersuche befindliche Berta.

Während Bartolo als Figur wesentlich präsenter ist als üblich, bleibt der Graf Almaviva ein netter junger Mann von nebenan mit vielen Geldscheinen in der Tasche. Figaro, von Friedrich Eggert in einen herrlichen grell-pinkfarbenen Anzug gesteckt, ist der agile spiritus rector. Beginnt die Oper schon während der Ouvertüre recht turbulent, wenn Fiorello einige Musiker aus dem Orchestergraben lockt, bleibt das Bewegungstempo während der gesamten Aufführung hoch und unterhaltsam. Doch es gibt auch kleine Schönheitsfehler: Auf Dauer werden die vielen kleinen Zaubertricks, wie Patienten verwandelt werden, genauso ermüdend und voraussehbar wie der permanente Einsatz der Drehbühne.

Aber insgesamt überzeugt die Regie, und das spielfreudige Ensemble bringt jede Menge frischen Wind in das Haus. Alte Bekannte und neue Gesichter treffen aufeinander: Münsters Dienstältester Solist Plamen Hidjov ist in straffer Botox-Maske ein herrlicher Bartolo, der stimmlich allerdings nicht ganz so taufrisch, aber höchst engagiert wirkt. Genau wie er ist auch Youn-Seong Shim noch ein Mitglied aus der Quetes-Zeit: Für den Grafen muss er sich noch sehr auf die Koloraturen konzentrieren, aber sein charmantes Timbre passt genau zur Rolle. Umwerfend komisch ist der Moment, wenn er als verkleideter Gesangslehrer Alonso alle Rs mit einem L ausspricht – und die Übertitelanlage macht es auf Deutsch mit. Blavissmo! Bekannt in Münster ist auch die sehr gute Stefanie Smits, die für die Berta zurückkehrt. Fritz Steinbacher hat einen kurzen, aber hervorragenden Auftritt als Fiorello. Die neuen Sänger sind eine schöne Frischzellenkur für Münsters Ensemble: Juan Fernando Gutiérrez mag es zuweilen etwas an Volumen für die anspruchsvolle Titelpartie fehlen, doch er bewältigt sie mit starker Präsenz und schönem Bariton. Damit erringt er sich zu Recht einen vollen Publikumserfolg. Lukas Schmid singt den Basilio zuweilen wie mit angezogener Handbremse, zeigt aber humorvolle Präsenz, Stimmkultur und gelegentlich auch vokale Bassgewalt. Gefeiert wird auch die großartige Mezzo-Sopranistin Lisa Wedekind, die ihren Einstand mit der Rosina mit Bravour besteht. Ihre geläufigen Koloraturen, ihr schönes, gesundes Timbre und ihr keckes Auftreten prädestinieren sie für die Rosina. Gelungen ist auch der Auftritt des Männerchores unter der neuen Chorleitung von Inna Batyuk.

Münsters GMD Fabrizio Ventura hält Rossinis spritzige Musik stets lebendig, bemüht sich hörbar, das Sinfonieorchester schön schlank aufspielen zu lassen. Dabei gelingen besonders in der Differenzierung der Lautstärke viele schöne Momente, wie etwa in der fulminanten Stretta des ersten Aktes. Zu diesem Zeitpunkt hat sich das Orchester mit seiner Rolle als Motor des Geschehens komplett angefreundet. Einige Feinheiten werden in den nächsten Vorstellungen bestimmt noch mehr zur Geltung kommen. Auf jeden Fall macht es viel Spaß, diesem Figaro zuzuhören. Spaß und Freude hat hörbar auch das Publikum, einige lachen so lange und laut, dass man die nächsten Pointen kaum noch hört. Der Applaus nach dem ersten Akt ist schon so lautstark, dass man den Schlussjubel vorausahnen kann. Man darf gespannt sein, wie die Spielzeit in Münster weiter verläuft.

Christoph Broermann

Fotos: Jochen Quast