Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

AIDA
(Giuseppe Verdi)
15. Dezember 2012

Live-Übertragung aus der Metropolitan Opera New York

Cineplex Münster


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Alte Aida vertreibt kleinen Hobbit

Eine Woche nach dem spannenden Maskenball folgt direkt die nächste Verdi-Übertragung live aus der Metropolitan Opera. Und die macht direkt den Unterschied zwischen einer Premierenserie und der Reprise einer in die Jahre gekommenen Aida deutlich. Auf den Programmzettel stehen lediglich die Namen der Neueinstudierung, die Schöpfer der Produktion sind nur anzunehmen. Hübsch anzusehen ist diese Aufführung allemal, was an den monumentalen Bühnenbildern, die die komplette Technik der Met in Anspruch nehmen, und den detaillierten Kostümen liegt, für die Gianni Quaranta verantwortlich ist. Das ist für die Kamera natürlich ein gefundenes Fressen, und zugleich offenbart sie, dass in dieser traditionellen Interpretation mittlerweile nur noch die Oberfläche glänzt. In der szenischen Einstudierung von Sonja Frisell erkennt man kaum noch etwas von der Dramatik, die die Liebesgeschichte von Aida und Radames umgibt. Auch in dieser konventionellen Inszenierung darf man die scheinheilige, manipulative Religion der ägyptischen Priester deutlich machen; das sollte nicht dem modernen Regietheater vorbehalten sein. Statt mit der Leidenschaft ringen die Darsteller nur mit den Händen und stehen singend an der Rampe. Da nützen auch die opulenten Massenszenen nichts, die zwar dekorativ sind, aber kein wirkliches Leben vermitteln. Sogar die Pferde von Radames‘ Streitwagen scheinen sich in diesem Kontext unwohl zu fühlen und scharren mit den Hufen. Von der spannenden Dreiecksgeschichte sieht man wenig, dafür lieblose Auf- und Abgänge, die zudem teilweise noch zeitlich schlecht getaktet sind. Die Anweisungen der Inspizientin, die die Sänger energisch vor den Vorhang schickt, haben mehr Drive als die gesamte Personenführung.

Angesichts dieses Mankos ist die Darstellung der Sänger kaum zu bewerten, da sie größtenteils auf sich allein gestellt sind. Aber auch vokal kommt zu wenig Glanz auf. Da fällt es schon sehr positiv auf, mit welchem Einsatz sich George Gagnidze in die Rolle des Amonasro wirft. Auch stimmlich ist er mit seiner vehementen Attacke ein Pluspunkt des Abends. Liudmyla Monastyrska braucht einen Akt, um als Aida vokal anzukommen, ist zunächst mehr stolze äthiopische Prinzessin als lyrisch-verzweifelte Liebende. Ihr gut fokussierter Sopran strahlt mühelos in den Ensembles des zweiten Aktes. Ab dem dritten Akt gelingen ihr dann auch innige Piani. Einen weniger guten Abend erwischt Roberto Alagna, wenngleich man ihm szenisch mühelos einen 30-jährigen Feldherrn abkauft. Die Spinto-Momente der Partie trotz er sich nur mit Mühe ab, im Piano rettet er sich zweimal ins Falsett. Solide Kost bieten Stefan Kocan und Olga Borodina. Ersterer ist ein etwas persönlichkeitsschwacher Ramfis, letztere ist eine temperamentvolle Amneris. Auch wenn er manche Auftritte eher mechanisch absolviert, ist der Chor der Met in der Einstudierung von Donald Palumbo in Höchstform. Auch das Orchester der Met bietet eine sehr ordentliche Leistung mit vielen kleinen filigranen Details. Ein Extra-Lob geht an die Trompeten im Triumphmarsch. Fabio Luisi leitet die Aufführung mit sensiblem Gespür für Verdis intime Musik.

Der Ton der Übertragung klingt minimal belegt, kameratechnisch ist die Übertragung besser als noch am Samstag zuvor. Kleinere Wackler sind zu verschmerzen. Die Kamera für die Vogelperspektive sollte ruhig öfters eingesetzt werden. Der Applaus in New York fällt zwar sehr freundlich, aber bei weitem nicht so euphorisch aus, wie sonst die Sänger an der Met belohnt werden. In Münster herrscht eher adventliche Entspannung als gespannte Aufmerksamkeit. Applaus gibt es hier so gut wie gar nicht. Immerhin hat die Aida sogar den kleinen Hobbit aus seinem angestammten Kinosaal vertrieben. Es spricht für die Oper, dass der Saal fast genauso gut gefüllt ist wie bei dem Blockbuster.

Christoph Broermann



Fotos: Marty Sohl