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Fakten zur Aufführung 

NABUCCO
(Giuseppe Verdi)
4. Mai 2011
(Premiere: 1. Mai 2011)

Städtische Bühnen Münster


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Babylon heute

Sklaven in einem babylonischen Hotel sind die Juden in Ansgar Haags Nabucco-Deutung. Bernd Dieter Müller baut dazu eine veritable Lobby, die von den Zwangsarbeitern restauriert wird, um im zweiten Teil in Glanze zu erstrahlen. Da wirkt alles zeitlos und der konkreten biblischen Geschichte enthoben – warum auch nicht? Aber hier, in Haags Inszenierung, bleibt das Geschehen wenig entschieden. Dennoch mag das Regieteam auf politische Repliken nicht ganz verzichten und so entwirft Annette Zepperitz die sattsam bekannten und deshalb mit großem Wiedererkennungswert ausgestatteten Kostüme: Schwarze Reisekleidung der Dreißiger Jahre, die unmittelbar mit dem Holocaust konnotiert ist.

Insgesamt erweist sich Haags Regiekonzept als eher zurückhaltend bis unauffällig: Beziehungen zwischen Personen werden eher angedeutet, die Massenszenen geraten eher statisch. Einige Kleinigkeiten sind aber auffällig: Wieso wird die Rezeption des Hotels zum Beispiel zur Bar, an der sich alle eifrig bedienen? Und die von Blitz und Feuer gespaltene Säule, die unmittelbar nach Nabuccos selbst vorgenommener Apotheose rächend auftritt, wirkt schon wie ein Griff ganz tief in die Mottenkiste.

Im Großen und Ganzen ist Haags Ansatz aber nicht aufgesetzt und absolut kein Minuspunkt für diesen Nabucco - höchstens ein wenig eindimensional. Die musikalische Ausführung dagegen ist alles überragend und beschert einen immens gewinnbringenden Opernabend.

Hendrik Vestmann und das Sinfonieorchester Münster sind die Top-Partner für Verdis Partitur: Das klingt im Großen Haus, vibriert bis in die Sitze und jeder bekommt ein Gefühl für einen Klang, mit dem der Komponist auf seinem langen Weg die ersten Schritte tut. Vestmann führt vor, wo der frühe Verdi genauso elektrisieren kann wie der altersweise. Und ihm gelingt die geradezu perfekte Verzahnung zwischen Orchestergraben und Bühnengeschehen, ihm gelingt eine perfekte, sich an den Sängerinnen und Sängern orientierende Dynamik, er zaubert überraschende Klangfarben.

Auch sängerisch ist dieser Nabucco ein Hochgenuss. Allen voran fesseln die beiden Damen: Kinga Dobay ist als Fenena mit wunderschönem Timbre einfach nur hinreißend, während Inga Balabanova als Abigaille mit höchst sicherer Technik alle Koloraturen meistert und mit toller Pianokultur fesselt.

Matteo Suk schultert den Nabucco mit Grandezza, lässt vielleicht – aber das ist beckmesserisch – ein wenig an tiefer Gestaltung vermissen. Andrea Shin ist ein Ismaele von enormem Format – ein ganz toller, klangschöner Tenor und Liebhaberdarsteller.

Dunkel legt Plamen Hidjov den Zaccaria an, ebenso wie Thomas Mayr dessen Widersacher. Hellen Cho verfügt für ihre Rolle als Anna über eine schöne, sichere Höhe.

Zum Star aber werden – neben dem Orchester – vor allem Donka Mitevas Chöre. Das ist schlicht zum Niederknien, was da mit Perfektion und Willen zur Gestaltung gelingt.

Das Publikum ist restlos begeistert und feiert das größte musikalische Ereignis an den Städtischen Bühnen seit langem mit ungewöhnlich intensivem Applaus.

Thomas Hilgemeier

 






 
Fotos: Michael Hörnschemeyer