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Fakten zur Aufführung 

MEFISTOFELE
(Arrigo Boito)
13. November 2011
(Premiere)

Opéra Monte-Carlo


Points of Honor                      

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Lockerer Verführer

Bereist man dieser Tage die Côte d'Azur, kann man dem Eindruck erliegen, dass es nichts Bedeutenderes im Kulturleben der Region gibt, als die Spielzeiteröffnung der monegassischen Oper. Kaum eine Plakatwand, Bus- oder Bahnstation, die nicht für Arrigo Boitos Mefistofele wirbt, die Eröffnungspremiere der Saison 2011/12 der Opéra Monte-Carlo, die gleichzeitig Bestandteil der Fête nationale monegasque ist. Prominent ist die Besetzung des kaum aufgeführten Werkes: Erwin Schrott in der Titelrolle, Fabio Armiliato als Faust, Oksana Dyka als Margherita und Mirela Gradinaru als Elena; am Pult: Gianluigi Gelmetti, die Inszenierung verantwortet Intendant Jean Louis-Grinda. Mefistofele erlebt im neuen Grimaldi Forum drei Aufführungen, die dritte dabei eine Privatveranstaltung des Fürstentums, zugänglich allein sur invitation du Palais.

Die Oper in Monte-Carlo arbeitet nach einem kurzen Stagione-Prinzip. Neben Mefistofele erwarten den Opernfreund in der aktuellen Spielzeit im monatlichen Rhythmus der Doppelabend L'enfant et les Sortilèges & La Navarraise, gefolgt von Mazeppa, Francesca da Rimini und Macbeth. Diese Aufführungen sind jeweils viermal angesetzt und werden im kleiner dimensionierten traditionsreichen Opernhaus Charles Garnier's von 1879 gegeben.

Das 2000 fertiggestellte Grimaldi Forum, ein drei Auditorien und zahlreiche Konferenzsäle umfassendes Kongress- und Veranstaltungszentrum, verfügt mit der 1800 Plätze umfassenden und in zurückhaltend modernem Chique ausgestatteten "Salle des Princes" über eine große Bühne und über eine klare und gut durchhörbare Akustik: Gute Ausgangsbedingungen also für eine Monumentaloper wie Boitos Mefistofele. Regisseur Jean-Louis Grinda, seit 2007 Intendant der Oper Monte-Carlo, greift mit diesem Mefistofele auf die viel beachtete Abschiedsinszenierung seiner Lütticher Zeit zurück, mit der er seine elfjährige Intendanz an der Opéra Royal de Wallonie 2007 beendete. Bereits 2010 erlebte sie ein erstes Revival in Montpellier: Opulenz in der Ausstattung, eine librettonahe Inszenierung ohne Metaerzählungen oder gewaltsame Aktualisierungen sowie eine sängerfreundliche Personenführung sind ihre Hauptcharakteristika.

Musikalisch geht es gleich überzeugend los. Sauber intonierend und durchschlagsstark, akustisch wirkungsvoll in die Höhe der Bühne gestaffelt die Chöre der "Himmlischen Heerscharen" des 'Prolog im Himmel', eingebettet in Videoprojektionen von weissen Wolken vor strahlend blauem Himmel, heftig bewegt. Gianluigi Gelmetti, dem Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo seit Jahrzehnten, 1990-1992 auch als Chefdirigent verbunden, favorisisiert für Mefistofele einen wunderbar transparenten, leichten Orchesterklang, der in wohldosierten Dynamikstaffelungen auch die großen, wuchtigen Fortissimo-Ausbrüche mit Effekt und fulminant zur Geltung bringt. Gleichermaßen kommen die filigran ausgearbeiteten Details der Partitur zu ihrem Recht, wie auch die großen Tutti-Momente im Zusammenspiel großer Chöre - der Choeur de l' Opéra de Monte-Carlo unter der Leitung von Stefano Visconti, verbunden mit dem Choeur de l'Opéra de Nice in der Einstudierung Giulio Magnaninis und der Chorale de l'Academie de Musique Fondation Rainier III - mit einem engagiert und vollkommen souverän aufspielenden Orchester. Erwin Schrott gibt den Mefistofele als lockeren, machohaften Verführer, mehr ungestümer Lebemann als Teufel, superpräsent und spielfreudig, aber eben mit wenig diabolischer Tiefe. Der Faust von Fabio Armiliato ist ganz unentschieden angelegt. Gleich zu Anfang als alter Greis mag man ihm ein intellektuelles oder sinn- oder erkenntnissuchendes Dasein nicht recht glauben. Er ist ein unentschiedener Schwächling, mit dem Mefistofele ein leichtes Spiel hat und der ihm in keiner Weise ein Counterpart sein kann. Später als Verführer Margheritas wird es auch nicht glaubwürdiger, und als Verführter Helenas bleibt er ebenfalls hölzern. Dieses Ungleichgewicht im spielerischen Ausdruck und in der Rollenanlage wird an diesem Tag verstärkt durch die stimmliche Verfassung Fabio Armiliatos. Fahl und wenig strahlkräftig seine Stimme, wegbrechende Töne sind zu verzeichnen, während Erwin Schrott sich mit seinem virilen Bass in blendender Verfassung befindet. Exzellent besetzt ist die Margherita mit Oksana Dyka mit einem überzeugenden Rollenporträt. Zurückhaltend noch in der Gartenszene, kann sie der Kerkerszene ihre unglaublich expressiven Qualitäten voll ausspielen. Es ist im Grunde die einzige Szene, wo die Inszenierung über den Kunstgenuss hinaus auch emotional berührt. Überzeugend auch Mirela Gradinaru als Elena, Christine Solhosse als Marta und Pantalis sowie  Maurizio Pace als Wagner und Nereo.

Die Massenszenen - Ostern in Frankfurt, der Hexensabbat auf dem Brocken und der klassische Sabbat - sind wirkungsvoll und präzis inszeniert. Die so detailverliebt prächtigen wie erfindungsreich gestalteten Kostüme von Buki Shiff, gegen 500 müssen es sein, hergestellt an der Lütticher Oper, sind eine immer faszinierende Augenweide. Das Bühnenbild von Rudy Sabounghi, einfach und funktional, ermöglicht schnelle Szenenwechsel, die Lichtregie von Laurent Castaingt ist exzellent.

Besonders für Erwin Schrott, Oksana Dyka, die Chöre und ihre Leiter und natürlich Gianluigi Gelmetti ist die Aufführung ein Triumpf: rasende Ovationen ohne Ende. Hart und ohne jede Gnade trifft es Fabio Armiliato, der heftige Buhs wegstecken muss.

Dirk Ufermann