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Fakten zur Aufführung 

DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR
(Otto Nicolai)
31. Mai 2013
(Premiere)

Theater Krefeld Mönchengladbach, Mönchengladbach


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Malle, Hotel Windsor***

Lärmende deutsche Touristen: Das passt in ein Drei-Sterne-Hotel auf Malle. Andreas Baesler hat die Lustigen Weiber von Windsor in die Ferien geschickt. Die eher einfach gestrickten Damen stranden erwartungsgemäß in einer eher einfachen Umgebung, die dem Publikum so ziemlich alle Klischees vor Augen führt, die einem bei einem Mallorca-Urlaub widerfahren können. Vom Saufgelage über den Pool, an dem morgens die Handtücher ausgelegt werden, bis zur Wahl der Miss Mallorca und der Miss-Mallorca-After-Show-Party, vom Service-Personal, das ohne „Tipp“ zu gar nichts zu bewegen ist, bis zu den Kellnern, für die das Abräumen der Tische wichtiger ist als die Gäste, um dem Massentourismus Herr zu werden, ist alles vertreten. Das Schöne daran: Baeslers Konzept funktioniert und macht Spaß, ohne in allzu große Albernheiten abzugleiten.

Die Bühne, auf der die unendlichen, gekonnten Regieeinfälle stattfinden, teilt sich auf in verschiedene Räume und Ebenen. Im Hintergrund ist der Pool mit einer „Liegewiese“ platziert, der durch eine überdimensionale Glasschiebewand erreichbar ist. Im Vordergrund die Hotelhalle, die sich später auch in ein Restaurant und eine Festhalle verwandeln lässt. Rechts eine Bar, hinten links, quasi vor dem Pool innenliegend, die Rezeption, und auf der linken Seite der Aufgang zu den Zimmern. Harald B. Thor hat über dem Pool einen Gang gebaut, von dem aus die Hotelzimmer erreichbar sind. Wenn es in die Details geht, schiebt sich von links ein Hotelzimmer in die Hotelhalle, eine Bühne in der Bühne. Da hat sich jemand wirklich und konsequent Gedanken gemacht und sie auch brillant umgesetzt. Ähnlich verhält es sich mit den zeitgenössischen Kostümen von Tanja Hofmann. Stilisierte Urlaubskleidung, von der man befürchten muss, dass sie wirklich von deutschen Urlaubern auf Malle getragen wird, bis zu bunten und durchaus fantasievollen Verkleidungen, die durch zahlreiche Accessoires angereichert werden, die ein Rheinländer allenfalls im Karneval gelten lassen würde. Dabei ist jede Kleinigkeit einsichtig und glaubwürdig. Das Ganze taucht Jörg Wiegand in passendes und exaktes Licht. Ein hübsches Gimmick hat Baesler obendrauf gesetzt: Während der Umbaupausen wird in einem Übertitellaufband „Werbung“ eingeblendet. Auszug aus der Speisekarte: „Schnitzel con patatas fritas“.

Das Manko: Baesler hat auf Übertitel verzichtet. Das kann man versuchen, wenn deutschsprachige Texte auf den Sängerzetteln stehen, setzt aber voraus, dass Solisten und Chor verständlich singen. In Mönchengladbach geht das nicht – von Ausnahmen abgesehen. Der weibliche Star des Abends ist sicher Sophie Witte in der Rolle der Anna Reich. Darstellerisch wie stimmlich ein Genuss – und vor allem: verständlich bis in die Höhen. Debra Hays spielt Frau Fluth mit viel Einsatz und Spaß, der sich auch auf das Publikum überträgt. Ihr sekundiert Susanne Seefing als Frau Reich, ebenfalls mit sichtlichem Spaß an der Rolle. Leicht und sicher singt sie sich durch die Höhen der Partie, wenngleich es auch ihr etwas an Verständlichkeit mangelt, aber das sind Marginalien. Haarscharf an den Grenzen hangelt sich stimmlich Hayk Dèinyan als John Falstaff an den Erfordernissen entlang. Das sieht man ihm nach, weil er einfach großartig spielt. Ihm dicht auf den Fersen folgt Tobias Scharfenberger als Herr Fluth. Gesanglich deutlich überzeugender, fehlt ihm doch ein Quäntchen der Bühnenpräsenz seines Kollegen. Auch Andrew Nolan bleibt mit seinem Herrn Reich dahinter zurück, füllt aber seine Rolle vollständig und überzeugend aus. Markus Heinrich als Junker Spärlich hat seinen running gag von der „schönen Anna“ und sorgt damit gekonnt für Heiterkeit. Gereon Grundmann hat eindeutig komödiantisches Talent und beweist es als Dr. Gajus. Warum man ihm allerdings aufgetragen hat, über den spitzen Stein zu stolpern, bleibt unerfindlich. Er nuschelt vor sich hin und verliert damit einen großen Teil der Wirkung seiner Rolle.

Völlig überraschend überzeugt der Chor nicht. Das ist man von Maria Benyumova überhaupt nicht gewohnt. Die Einsätze gelingen eher willkürlich, und im Vordergrund steht Lautstärke statt Feinarbeit. Möglicherweise sind die Damen und Herren aber auch mit der Darstellung überfordert, die vor allem in den Massenszenen nicht vollständig durchchoreografiert scheint.

Dabei gibt sich Alexander Steinitz als Musikalischer Leiter des Abends wirklich alle Mühe, Solisten, Chor und Orchester zum Großen und Ganzen zu führen. Mit weiten Bögen und präzisen Kommandos führt er alle Beteiligten hochaufmerksam durch die Klippen der Partitur. Die Niederrheinischen Sinfoniker fühlen sich unter seiner Führung sichtlich wohl und liefern großartige Arbeit ab. Steinitz, das wird mit jeder Begegnung deutlicher, hat im Theater Krefeld Mönchengladbach eine äußerst dankbare Zwischenstation gefunden. Im Sinne des Publikums ist ihm zu wünschen, dass er sich da möglichst lange wohl fühlt. Von dem, was er bislang abgeliefert hat, spricht viel dafür, dass die GMD-Stelle irgendwo auf dieser Welt überfällig auf ihn wartet.

Eine insgesamt gelungene Aufführung, bei der vor allem einer enttäuscht: das Publikum. Während der glanzvoll gespielten Ouvertüre – zugegeben, sie ist neun Minuten lang – wird gequatscht, als spiele die Musik im Radio. Opernnetz vertritt die Auffassung, dass alles unternommen werden muss, die Jugend für das Musiktheater zu begeistern. Nach diesem Abend relativiert sich das: Die Jugend muss für das Musiktheater begeistert werden, nachdem sie gelernt hat, den Künstlern den nötigen Respekt entgegenzubringen. Es kann nicht sein, dass sich einzelne aufführen wie Besucher eines Popcorn-Kinos. Immerhin bedankt sich das Publikum dann doch enthusiastisch für die dargebotenen Leistungen. Und der einzelne Buh-Rufer beim Auftritt des Regie-Teams wird sofort von zahlreichen Bravo-Rufen überboten. Zu Recht.

Michael S. Zerban







Fotos: Matthias Stutte