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Fakten zur Aufführung 

JOSEF SÜß
(Detlev Glanert)
16. April 2011 (Premiere)

Theater Krefeld und Mönchengladbach


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Hörbeispiel

Wenn Sie auf die erste Taste von links klicken, hören Sie einen Ausschnitt aus Detlef Glanerts Josef Süß.

 

Audiobeitrag

Wenn Sie auf die erste Taste klicken, hören Sie den Audiobeitrag unseres Korrespondenten Michael Zerban mit dem Komponisten Detlef Glanert..

 

 

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Dumpf

Theater im Nordpark (TiN). Das klingt doch. Tatsächlich handelt es sich um eine ehemalige Lagerhalle der Bundeswehr für Lebensmittel, die weitab jeder Zivilisation als Ausweichquartier für das Theater Krefeld und Mönchengladbach umgebaut wurde. Bei dem Umbau muss irgendjemand vergessen haben, Akustikkenner hinzuzuziehen. Längst hat das Mönchengladbacher Publikum „mit den Füßen“ abgestimmt und den Großteil der Abonnements zurückgegeben oder nicht verlängert. So hat auch an diesem Premierenabend (!) neben dem Freundeskreis des Theaters kaum jemand in die Einsamkeit zwischen den Parkplätzen eines Fußballstadions weit vor den Toren der Stadt gefunden. Ein Fiasko für die Kultur, Beleidigung eines hochmotivierten Ensembles und eine schallende Ohrfeige für die Kulturverantwortlichen in der Provinz.

Die Akustik des so genannten großen Saals im TiN ist verheerend. Die Technik unter Andreas Rochenheim versucht Menschenmögliches, mit Mikroports und Mikrofonen wenigstens etwas von der Arbeit der Solisten, des Chores und der Niederrheinischen Sinfoniker zu retten. Das gelingt nur teilweise. Während die Sinfoniker unter der Leitung von Kenneth Duryea präzise und konzentriert die Ideen des Komponisten Detlev Glanert umsetzen und dank elektronischer Unterstützung damit weitestgehend durchkommen, müssen sich die Solisten an den Gegebenheiten abarbeiten. Da verlieren sich die Feinheiten, ausdifferenzierte Töne und Verständlichkeit im dumpfen Grab der Bühne. Die Solisten, allesamt gestandene und erfolgreiche Sänger und Darsteller, können nicht ansatzweise ihre Leistung zum Publikum hinüberretten. Sie scheitern gänzlich unverschuldet an der Akustik des Saales.

Dabei versprechen die Bilder viel. Frank Hänig hat mit seinem Team eine ebenso einfach wirkende wie überzeugende Bühne gebaut, die mit den Effekten von Beleuchtungsmeister Jörg Wiegand und seinen Leuten ins rechte Licht gesetzt wird. Ein Quader, der die gesamte Bühne einnimmt, zeigt sich dreh- und schiebbar mit zwei Durchlässen und einem Seitenkasten für allerlei Regieeinfälle geeignet. Davor überbrückt ein metallischer Laufsteg den Orchestergraben. Darauf findet ein großer Teil der Handlung statt. Den Rest der Handlung verteilt Regisseur Jan-Richard Kehl auf Bühne und Zuschauerraum. Einige seiner Ideen, wie etwa das Aus- und Einrollen eines roten Teppichs durch die Darsteller oder das videoprojizierte Laufband auf dem Quader haben wir bereits in anderen Aufführungen erlebt, wo sie auch nicht besser wirkten. Angedeutete Urinier- und Kopulationsszenen erscheinen eher hausbacken denn originell oder gar provokant. Ina Schotes greift bei ihren Kostümen auf altbewährtes Gegenwärtiges zurück, gespickt mit abwechslungsreichen Ideen, wie etwa dem T-Shirt von Herzog Karl Alexander mit der Aufschrift „I love jews“.

Hübsch schaurig bis gruselig die Sprechrolle von Tobias Wessler als Henker und Haushofmeister. Igor Gavrilov zeigt seine ganze Klasse, wenn er sich vom übermütigen, leicht arroganten Karriere-Juden langsam zum sphärischen Überzeugungsopfer Joseph Süß Oppenheimer wandelt. Höchst präsent Walter Planté in seiner Rolle als Sprecher der Landstände und Vater von Magdalena. Ausgestattet mit Mikroport, ist er häufig im Zuschauerraum unterwegs und erlangt so Stimmgewalt. Rabbi Magus bekommt die nötige Würde auch in Krisensituationen von Tobias Scharfenberger verliehen. Christoph Erpenbeck schließlich mimt gekonnt den Zögerer und Zauderer Herzog Karl Alexander. Die Damen – Eva Maria Günschmann als Naemi, Debra Hays als Graziella und Isabelle Razawi als Magdalena – kämpfen darum, gegen die Dumpfheit anzusingen und verleihen ihren Figuren dabei noch Ausdruck. Der Chor in der Einstudierung von Maria Benyumova zeigt sich agil, kommt hier und da mit den engen räumlichen Verhältnissen nicht ganz zurecht, unterstreicht aber die beabsichtigte Gesamtwirkung der Handlung.

Das Publikum reagiert adäquat auf den Abend, als sich müde und frustriert wirkende Darsteller und Chormitglieder vor ihnen verbeugen. Ein träges Klatschen erfüllt den Raum. Allein bei Kenneth Duryea und dem Niederrheinischen Orchester trampeln die Füße. Bravo-Rufe bleiben aus. Was von der Aufführung erlebbar und verständlich war, hat beeindruckt. Das nicht Verständliche hat die inhaltliche Auseinandersetzung gegen null getrieben. Im Oktober findet die Wiederaufnahme in Krefeld statt – unter regulären Bedingungen für einen Opernbetrieb. Das sollte man auf keinen Fall versäumen!

Den Provinzpolitikern aber sei ins Handbuch geschrieben, dass Kultur nicht ins Niemandsland gehört und Opern keine Musicals sind. Wenn ein Theater wie das Theater Krefeld und Mönchengladbach immer wieder das Unmögliche möglich macht, kann es nicht sein, dass es von der örtlichen Politik in die Botanik geschickt wird.

Michael S. Zerban

 

 









 
Fotos: Matthias Stutte