Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

I LOVE YOU, YOU'RE PERFECT,
NOW CHANGE

(Jimmy Roberts)
28. März 2013
(Premiere)

Theater Krefeld Mönchengladbach, Studiobühne Mönchengladbach

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Vom American Way zum Zuckerbäcker

Manchmal braucht es nicht den großen Kuchen. Da reicht schon eine kleine, zarte Praline, um uns in Verzückung zu setzen. Eine solche Praline serviert Regisseur Ulrich Proschka auf der Studiobühne des Mönchengladbacher Theaters. Zunächst mal, um im Bilde zu bleiben, gibt es Kekse. Inszeniert hat er I love you, You’re Perfect, Now Change, eine Off-Broadway-Produktion, die am 1. August 1996 am Westside Theatre in New York uraufgeführt wurde und mit über 5.000 Vorstellungen in zwölf Jahren sehr erfolgreich war. Ein vielversprechender Titel, bei dem man sich von Texter Joe DiPietro und Komponist Jimmy Roberts viel Lebensweisheit erwartet. Verpackt in einer komischen Nummernrevue, denn schließlich nennt sich das Stück Comedy-Musical. Inhaltlich bietet das Werk allerdings eher trockenes Graubrot, amerikanisch durchtränkt noch dazu: Da wird kein Beziehungsklischee ausgelassen, und das reicht bis dahin, dass Sex manchmal sogar noch in der Ehe Spaß macht. Wie soll man aus trocken Brot eine Praline zaubern? Proschka zeigt es. Man versammelt ein überqualifiziertes Team um sich und feilt mit ganz viel Liebe und Fantasie an jedem Detail, bis ein bezauberndes, weil witziges und intelligentes Stück entsteht, bei dem schon Klavier und Geige reichen, um den musikalischen Teil des Abends perfekt zu gestalten.

Das Stück lebt von seinen schnellen Szenen- und Kleiderwechseln. Christine Knoll schafft eine Modulbühne, in deren Hintergrund ein grauer Rahmen als festes Element steht. Alle anderen Elemente sind flexibel und werden von den Darstellern von Szene zu Szene in immer neue und überraschende Zusammenhänge gebracht. Bald verfolgt der Zuschauer die Umbauten mit der gleichen Spannung wie die Szenen und staunt, was mit den Bauklötzen passiert. Ähnlich verhält es sich mit den Kostümen. Es gibt kaum eine Szene, in der ein Kostüm noch einmal auftaucht. Knoll hat mit vergleichsweise geringen Mitteln zeitgenössische Kostüme entwickelt, die einen schnellen Wechsel erlauben und dabei dem Klischee der jeweiligen Szene gerecht werden. Da reicht kein einfacher Zuckerguss, da muss man schon mit Mandeln und Likören arbeiten.

Von den vier Darstellern wird maximale Höchstleistung abverlangt. Umbauen, umziehen, singen, spielen und das ganze bitte in wechselnder Reihenfolge. Dabei sollen die Akteure bitte schön keine überdrehte Comedy auf die Bühne bringen, sondern das Publikum mit feinem Humor verzaubern. Drei Mitglieder des Musiktheaterensembles, also eigentlich Opernsängerinnen und -sänger sowie ein Schauspieler, der Georg-Kreisler-Liederabende zum Besten gibt, haben sich bereit erklärt, sich auf das immerhin zweieinhalbstündige Stück einzulassen. Auch wenn die musikalischen Anforderungen natürlich nur an wenigen Stellen tatsächlich die Fähigkeiten eines Sängerdarstellers von der Opernbühne fordern, zeigen die vier ein Musical vom Feinsten. Gabriela Kuhn, Susanne Seefing und Markus Heinrich aus dem Musiktheaterensemble begeistern nicht nur mit ihren Stimmen, sondern auch mit einer brillanten Darstellung. Schauspieler Tobias Wessler überzeugt mit fehlerfreiem Gesang und filigranem Schauspiel.

Jimmy Roberts hat eine Mischung aus zeitgenössischen Anklängen, Swing und Kaffeehausmusik komponiert. Michael Preiser am Klavier, der auch die musikalische Leitung innehat, und Fabian Kirchner an der Violine präsentieren diese Musik fabelhaft. Hochkonzentriert spielen sie vom linken Bühnenrand aus mit den Sängerdarstellern zusammen. Das gelingt ganz ausgezeichnet.

Da ist der Zuschauer schon ein wenig enttäuscht, dass nach zweieinhalb Stunden wirklich schon Schluss ist. Während das Stück läuft, tritt Irritation auf, weil sich der Szenenapplaus in Grenzen hält. Da stellt man sich vor, wie das Publikum in Amerika johlt und mitgeht. Erst nach der Pause wird die Zurückhaltung klar. In Mönchengladbach, in der eher intimen Atmosphäre der Studiobühne, will man keine Silbe, keine Bewegung auf der Bühne verpassen. Erst, als die Praline genossen ist, gibt das Gourmet-Publikum seine Wertung ab: Johlen, Jauchzen, Bravos und das Trampeln der Füße – auch für das Regieteam – beweisen, dass man von dieser Sorte Pralinen durchaus mehr als eine genießen kann.

Michael S. Zerban

 





Fotos: Matthias Stutte