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Fakten zur Aufführung 

CARMEN
(Georges Bizet)
7. Juni 2012
(Premiere)

Israeli Opera, Masada

Points of Honor                      

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Leidenschaftlich und lebensfeindlich

Man muss nicht die Geschichte Masadas kennen, damit einen der Berg und seine Umgebung beeindrucken. Es reicht schon, den Schlangenpfad hinaufzuwandern oder mit der Seilbahn hinaufzufahren und dann den Blick über die Wüste bis zum Toten Meer zu genießen. Aber die Tatsache, dass sich Zeloten im Jahr 73 nach Christus lieber selbst umbrachten als von den Römern gefangengenommen zu werden, ist leicht verständlich. Die Tat steht beispielhaft für den israelischen Freiheitswillen. An diesem landschaftlich einzigartigen und historisch bedeutungsvollen Ort findet seit 2010 das Opernfestival am Toten Meer statt. Für dessen dritte Auflage hatte die Israeli Opera Carmen von George Bizet gewählt. Aida und Nabucco in den beiden vergangenen Jahren hatten noch einen starken Bezug zum Nahen Osten beziehungsweise zur jüdischen Geschichte - und bezogen dementsprechend auch den Berg mit ein. Aber die leidenschaftliche Carmen in der lebensfeindlichen Wüste? Das mag zunächst nicht so recht zusammenpassen. Doch zum einen können Liebe, Hass, Leidenschaft, Eifersucht und andere Gefühle überall spielen. Zum anderen ist da der Wunsch nach Freiheit, der die Oper und den Ort verbindet – und den auch Staatspräsident Simon Peres in seiner Eröffnungsrede an diesem 7. Juni betont.

Er spricht von zwei außergewöhnlichen Phänomenen, die sich nicht kleinkriegen lassen: Carmen und Masada. Denn ebenso wie die Zeloten gibt auch Carmen das Leben für ihre Überzeugung – und die Unabhängigkeit. Regisseur Giancarlo del Monaco-Zukerman, ein ausgewiesener Experte für monumentale Freiluft-Aufführungen, tut alles, um das Drama auf der von William Orlandi gestalteten, 3500 Quadratmeter großen Bühne sichtbar zu machen und spielt viel mit dem Ballett beziehungsweise den Flamencotänzern aus Spanien.

Carmen ist ursprünglich in Sevilla im Süden Spaniens angesiedelt, doch del Monaco verlegt sie in ein Wild-West-Ambiente. Dieser Kniff bietet sich durch den spektakulären Felsen und die einzigartige Wüstenlandschaft von Masada durchaus an. So ist etwa zu Beginn des dritten Aktes ein echter, manchmal sogar dampfender Zug auf der Bühne zu sehen, und immer wieder reiten dort im Hintergrund Soldaten auf äußerst lebendigen Pferden auf und ab. Die Reiter wecken allerdings eher die Assoziation mit der Zeit Napoleons als mit dem Wilden Westen. Die Wild-West-Idee wird ohnehin nicht weiter ausgeführt, stattdessen weht über allem die spanische Fahne, was in dieser Umgebung etwas merkwürdig anmutet. Und auch der Berg wird – im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Jahren – nicht weiter einbezogen.

Der Umgang mit den natürlichen Gegebenheiten stellt allerdings nicht nur für den Regisseur und sein Team eine Herausforderung dar, sondern auch für alle anderen Beteiligten. Die Leistung des Israeli Opera Chorus und der Sänger des Tel Aviv Philharmonic Choir ist bisweilen brillant, aber der Wüstenwind verweht die Töne, und das Israeli Symphony Orchestra Rishon LeZion unter dem Dirigenten Daniel Oren versinkt geradezu in seinem riesigen Graben. Dabei hat es seine Klasse in der Israeli Opera in Tel Aviv oft genug bewiesen.

Nancy Fabiola Herrera hatte vor der Premiere noch auf die schwierigen Bedingungen hingewiesen. Es ist dennoch sehr ungewöhnlich, dass die Mezzosopranistin aus Spanien in der Rolle der Carmen nur in der ersten Hälfte auftritt und in der zweiten die israelische Sängerin Na'an Goldmann übernimmt. Ursprünglich war als Carmen einmal die Georgierin Anita Rachvelishvili vorgesehen, die an der Mailänder Scala von sich Reden gemacht hat. Über den Grund der Abwesenheit Herreras kursieren hinterher verschiedene Variationen: dass sie während der Aufführung von der Bühne gefallen sei, dass sie sich bereits bei den Proben verletzt habe, dass sie heiser gewesen sei und deshalb nicht habe weitersingen können... jedenfalls fängt Nancy Fabiola Herrera passabel an und wird dann immer schwächer. Sie verkörpert eine sehr weibliche Carmen, während Goldmann, die als große israelische Hoffnung gilt, dieser eine herbe Note verleiht. Marco Berti als Don José und Dario Solari als Escamillo überzeugen. Den meisten Applaus bekommt Maria Agresta als Micaela. Insgesamt fällt der Beifall höflich, aber nicht euphorisch aus. Dennoch haben die Veranstalter ihr Ziel erreicht: Sie wollen die Kultur in die Peripherie bringen und möglichst viele Menschen dafür begeistern. So erklärt sich auch die Auswahl der populärsten Oper der Welt für das diesjährige Festival. Denn bei all seiner landschaftlichen Schönheit und historischen Bedeutung liegt Masada doch weit weg vom - kulturellen - Zentrum Israels.

Martina Farmbauer

 



Fotos: Yossi Zwecker