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Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Piotr Iljitsch Tschaikowski)
24. Mai 2013
(Premiere)

Slowenisches Nationaltheater Maribor


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Wunderbare szenische Ästhetik

Der tiefblaue, leicht wolkige Horizont im Hintergrund wird immer dunkler. Bald ist es Nacht. Nur ein einziges Fenster sieht man jetzt auf der Bühne. Es ist weit geöffnet und in goldiges Licht getaucht. Am Fenster steht zappelnd oder sitzt unruhig Tatjana. Sie freut sich wie ein Backfisch und ist überglücklich, denn sie ist schrecklich verliebt und fühlt sich wie im siebenten Himmel. Deshalb schreibt sie ihrem Verehrten ganz unbefangen einen Brief, in dem sie ihm ihre Gefühle offenbart. Am Höhepunkt dieser „Briefszene“ beginnt das Fenster so wie ihre reinen Gefühle mit ihr nach oben, gegen den Himmel, zu schweben: Voll mit solcher Symbolik, voll von Stimmungen, bei denen auch das gekonnt suggestiv eingesetzte Licht eine wesentliche Rolle spielt, und insgesamt voll von solcher wunderbaren Ästhetik sind auch alle anderen Bilder dieses Eugen Onegin von Pjotr Iljitsch Tschaikowski im slowenischen Maribor.

Ob das nun die Szene vor dem Gutshof, der düstere Wald bei der Duellszene oder der raffinierte Wechsel bei offenem Vorhang zum Ballsaal mit den schlanken Säulen und den Projektionen im Hintergrund ist: Die Szene von Marko Japelj ist zwar immer minimalistisch, oft nur angedeutet, aber von einer ungemein geschmackvollen Ästhetik. Genauso wie die stilisierten, hübschen Kostüme von Suzanna Rengeo.

In dieser Szenerie weiß Ivan Popovski, der diese gleiche Konzeption des russischen Meisterwerks schon 1997 in Lille verwirklicht hat, die Geschichte von Alexander Puschkin zwar recht konventionell, aber ohne Firlefanz, dabei immer verständlich, klug, psychologisch durchdacht, detailreich und durchaus mitreißend zu erzählen. Er bleibt dabei meist am Text und am Puls der Musik. Und er lässt die Szene als Stilmittel immer wieder bewusst zu einem Bild erstarren. Er setzt auf präzise Personenführung, kehrt die Gefühle der Protagonisten mit großer Sensibilität nach außen, und zeichnet schneidend deren Charaktere und deren Entwicklung: Den herablassenden, kalten, arroganten Titelheld, der zum verzweifelten Liebenden wird und von der feinen Gesellschaft ignoriert wird. Die schüchterne Tatjana, die zuerst verlacht, dann zur souveränen Dame an der Seite eines Fürsten wird. Der Außenseiter und romantische Dichter Lenski, der zum aggressiven Duellanten wird.

Das alles setzt ihm ein überwiegend junges, unverbraucht klingendes Ensemble spielfreudig um: Sabina Cvilak singt die Tatjana mit blühendem Sopran und vielen Nuancen und Farben. Martin Sušnik ist der hellstimmige, romantische Dichter Lenski mit uneingeschränkten Höhen. Besonders seine berühmte Arie Kuda, kuda, mit der er vor dem unmittelbar darauf stattfindenden Duell niedergeschlagen Abschied von der Welt nimmt, wird zum Ereignis. Kraftvoll kann man Nuška Draček Rojko als Olga erleben. Konstantin Šušakov, als Eugen Onegin selbst, verfügt als Titelheld über einen etwas knorrigen Bariton, der sehr klein ist und fallweise ins Forcieren verfällt. Zwar kraftvoll, aber mit den schrecklich anzuhörenden ausgeleierten Resten seiner Stimme erlebt man Valentin Pivovarov als Fürsten Gremin. Exzellent singt auch noch Dada Kladenik als Kindermädchen Filipjevna. Ideal besetzt ist auch Dušan Topolovec als Triquet. Der Chor, von Zsuzsa Budavari-Novak einstudiert, hat offensichtlich nicht seinen besten Tag. Er gerät immer wieder außer Tritt.

Das Orchester des Opernhauses von Maribor hat man auch schon besser gehört, vor allem mit wesentlich strahlenderen Streichern, die diesmal regelrecht dünn klingen. Unter Benjamin Pionnier neigt es immer wieder zu Schlampigkeiten und Unsicherheiten. Im Ausdruck klingt es viel zu zahm. Man hätte sich viel schärfere Akzente und mehr effektvolle Spannung gewünscht. So hat etwa die berühmte Polonaise am Anfang des letzten Bildes überhaupt nicht richtig gezündet.

Dem Publikum ist zufrieden, es scheint ihm alles gefallen zu haben, denn es spendet reichlich Beifall und viele Bravi.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Tiberiu Marta