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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
1. April 2012
(Premiere am 25. März 2012)

Nationaltheater Mannheim

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Star ist das Orchester

Als Theaterereignis ist das Ring-Projekt von Achim Freyer am Nationaltheater Mannheim schon vorab etikettiert. Vollmundig, und der Rheingold-Vorabend hat durch eine geradezu verstörende, surreale Bildsprache für helle Aufregung gesorgt. Denn Mannheim hat eine große Wagner-Tradition, was im Umkehrschluss bedeutet, dass ein kennerisches Publikum, das „seinen“ Wagner schon überall gesehen hat und genau weiß, wo es lang geht, gerne bereit ist, die Angelegenheit nieder zu buhen.

Jetzt in der Walküre haben sich die Gemüter zumindest in der Zweitpremiere beruhigt; die Bereitschaft, sich mit der Bildmagie von Freyer auseinanderzusetzen, wächst, und billigend wird in Kauf genommen, dass Freyer keine Geschichte erzählt, auch wenn er in manchen Bildern parallel zur Handlung illustriert. Aber das ist sein quasi-spielerischer Umgang mit Wagners Tetralogie. Jedenfalls bürstet er gegen alle Gewohnheiten und verzichtet auf Psychologie. Die kann sich aus verquer-versponnenen Bildern entwickeln, in jedem Kopf anders, und das ist das Schöne an diesem Ring. Das zweite beeindruckende Element ist die große Orchesterleistung unter Generalmusikdirektor Dan Ettinger, wenn der Wust an leitmotivischen Querverbindungen und gigantischen Klangverstrebungen wunderbar selbstverständlich und einer inneren Uhr folgend aufblüht.

Obwohl Ettinger zwischendurch eigenwillige, dehnende Tempi nimmt, die naturgemäß seinem Sängerensemble zusetzen, ist gerade diese Musikstunde eine Sternstunde, weil der musikalische Ablauf einiges an Tiefe ersetzt und Konfliktspannungen der Figuren deutet, was die Regie im Taumel der oft seltsamen Bilder offen lässt. Fricka, in Schwarz und mit verkohltem Baguette auf dem Kopf, hält ihrem das Gesicht halb verbergenden Wotan eine heftige Standpauke. Da steht kein Gott vor ihr, sondern ein fremdgängerischer Typ, der seine Philosophie zertrümmert sieht und sich dafür später an der armen Brünnhilde schadlos hält. Edna Prochnik singt die Fricka ausgezeichnet, ihr Mezzo glüht, ohne zu überziehen; Thomas Jesatko, schon Bayreuth-erfahren, bringt als Wotan einen tadellos geführten Heldenbariton ein, stabil und vor allem mit durchwärmtem Timbre geführt. Judith Németh gibt der Brünnhilde heftige Dramatik ins schmerzliche Spiel, in einigen Spitzen fast zuviel des Guten.

Sieglinde und Siegmund, das inzestuöse Zwillingspaar, das sich in Liebe erkennt, ein Kindlein zeugt und dadurch göttliches Gesetz verletzt, damit Richard Wagner noch zwei weitere Tetralogie-Abende komponieren muss: Heike Wessels singt außerordentlich profiliert, nirgends stemmt sie, immer bleibt die Linie klar und mir subtilen Farben durchsetzt; als Siegmund ist Endrik Wottrich besetzt, der diese Partie schon in Bayreuth gesungen hat; ein stabiler Heldentenor, der an anderen Tagen sicherlich noch mehr Glanz in der Stimme hat. Hunding, dem Siegmund die Frau ausspannt, findet in Manfred Hemm einen großrahmigen Bass, mit dem man sich sehr gerne anfreundet.

Freyer führt die Figuren überwiegend in Slowmotion, was nicht immer sängerfreundlich wirkt. Den Walküren setzt er verrückte Dinge auf Kopf und Kostüme, von Gießkanne bis Schnürschuh, Nähmaschine bis Schere. Cornelia Ptassek, Ludmila Slepneva, Marina Ivanova, Marie-Belle Sandis, Katrin Wagner, Anne-Theresa Møller und Andrea Szántó tragen die Accessoires mit Fassung. Dass sie andauernd irgendwelche schwarze Wägelchen, teilweise mit silbernen Gliedmaßen garniert, andere mit Fahrrad-Fragmenten ausstaffiert, auf der ewig sich drehenden Bühne herumschieben, gehört ebenso zu den Geheimnissen, wie der vielarmig Zigarre paffende Loge, der gelegentlich auftaucht und noch schneller wieder verschwindet. Dass Hunde von links nach rechts und umgekehrt tapern und einer Spur folgen, scheint okay, immerhin ist Siegmund anfangs auf der Flucht vor einer imaginären Meute.

Achim Freyer baut ein ausgefeiltes Licht-Design in seine Inszenierung ein. Speer und Schwert schweben als Neonröhren von oben; das Dunkel der Bühne wird allenfalls durch grelle Blitze erhellt, während im Hintergrund schemenhaftes Grau Wald oder Walhall imaginieren mag. Insgesamt beschert der Gesamtkunstwerker der Quadratestadt eine bis ins Absurde sich steigernde Walküre. Die Bilder lohnen, der Orchestergestus noch mehr.

Eckhard Britsch





Fotos: Hans-Jörg Michel