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Fakten zur Aufführung 

THE TURN OF THE SCREW
(Benjamin Britten)
19. Juli 2013
(Premiere am 12. Juli 2013)

Nationaltheater Mannheim


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Bedrückende Vereinsamung

Einerseits freut sich das junge Fräulein auf den Job der Erzieherin, andererseits fürchtet sie sich vor der Verantwortung, die ihr der Vormund der Waisen Miles und Flora aufbürdet: Sie darf ihn nie kontaktieren, muss alleine zurechtkommen in dem einsamen Landhaus, nur halbherzig unterstützt von einer älteren Haushälterin. Eine klaustrophobische Situation, die anfangs aufgehellt wird dadurch, dass die Gouvernante, von Eunju Kwon ausgezeichnet gesungen und gespielt, einen guten Draht zu den Kindern zu finden glaubt. Doch seltsame Schatten tauchen auf, zwei rätselhaft zu Tode gekommene Figuren, der frühere Diener Quint und die frühere Gouvernante Miss Jessel. Sie brennen sich in die Seelen der Lebenden ein und bringen sie in eine ausweglose Situation.

Eine Gespenstergeschichte, die Benjamin Britten mit seiner 1954 uraufgeführten Oper The Turn of the Screw, oder auf Deutsch: Die sündigen Engel, so kunstvoll vertont hat? Im Beitrag des Nationaltheaters Mannheim zum Britten-Jahr wühlt Regisseur Frank Hilbrich geradezu monoman in der Psyche der Figuren. Er assoziiert frühen Missbrauch, Abkapselung, pädophile Begierden, aber auch zuwendende Besorgnis, die der Abkapselung der Kinder nicht mehr Herr werden kann. Am Ende wird das Mädchen Flora noch nach London gebracht, während der Junge in dem Moment stirbt, in dem die Erinnerung an den Diener Quint so übermächtig wird, dass er dessen Namen aussprechen muss. Es ist aber auch eine Geschichte des Scheiterns, denn die neue Erzieherin kann die Bilder der ehemaligen Gouvernante nicht auslöschen, so dass die Verstrickung und Bedrohung immer mehr überhand nehmen.

Die Bühne wird von vier rechteckigen Guckkästen auf zwei Ebenen beherrscht, die wechselnd auf- und zugehen, um das Reale zu zeigen und mit stummen Doubles den Sog des unaufhaltsamen Unglücks zu imaginieren und dagegenzusetzen. Volker Thiele zeichnet mit den „normalen“ Kostümen von Gabriele Rupprecht für die Bühne verantwortlich, doch auf Dauer wirkt dieses Spiel zu einseitig und schematisch, um die Traumatisierungen wirklich auszuloten. Wobei nicht verkannt werden soll, dass sich ein beklemmender Sog entwickelt.

Der sich auch aus der von Joseph Trafton gut aufgestellten Musik ergibt, wenn das Nationaltheater-Orchester die spiralförmigen Verschlingungen dieser Komposition zwingend darstellt. Das bedrückende Kammerspiel hat während der Zweitpremiere neben der erwähnten Eunju Kwon mit der hell argumentierenden Sopranistin Cornelia Ptassek als frühere Gouvernante, dem charakterstarken Tenor Uwe Eikötter als Diener Quint und Prologstimme, sowie dem gut geführten Mezzo von Marie-Belle Sandis als Haushälterin eine stimmige Ensemblebesetzung zu bieten. Ganz großartig agieren Julian Lörch als Bub Miles und Lara Brust als Mädchen Flora sowohl im Spiel als auch mit ihren Sopranstimmen. Anke-Christine Kober hat mit ihnen die Partien einstudiert.

Das Publikum feiert Eunju Kwon und dankt dem Ensemble herzlich.

Eckhard Britsch

Fotos: Christian Kleiner