Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

SIEGFRIED
(Richard Wagner)
1. Dezember 2012
(Premiere)

Nationaltheater Mannheim


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort



 

zurück       Leserbrief

Auf der Suche nach Identität

Der Anspruch ist hoch. Der neue Ring am Nationaltheater Mannheim, für den der bildmächtige Achim Freyer verantwortlich zeichnet, soll in die Theatergeschichte eingehen. Ein Filmprojekt fängt die Inszenierungen ein, die Medien werden vorab und parallel eingebunden, kurzum, die Kurpfalz hat ihr Ereignis. Schön, wenn die Theatermacher schon vorab wissen, dass es etwas Großes wird.

Siegfried ist ein groteskes Intermezzo zwischen Götter- und Menschenmaschine“, definiert Regisseur Freyer den dritten Ring-Teil, und er zeigt Siegfried als Clown. Denn dieser junge Held, Produkt aus Götter- und Zwergenwillen, hat keine Identität, sein Heranwachsen ist einzig Suche. So irrt er auf der Bühne umher, sein Double schlägt Rad, er taucht ab und wieder auf, erschlägt Fafner und Ziehvater Mime, denn Furcht ist ihm fremd. Aber er gewinnt Scham ob seiner Taten, findet langsam doch zu sich, und die Begegnung mit Brünnhilde lässt ihn reifen. Angst vor der Frau an sich und Liebeserfüllung gehen ineinander über. Liebe als Utopie und Liebe als Erkenntnis.

Langsam gewöhnt sich Mannheim an den Ring von Freyer. Seine bildmächtige Ästhetik wird vom Absurden und Surrealen unterfüttert. Siegfried ist anfangs ans Krankenbett gefesselt, Mime und Wanderer/Wotan hantieren mit seltsamen Schlauchmaschinen an ihm herum. Ja, Siegfried ist ein manipuliertes Subjekt, er soll als gesteuerter Clown-Zombie anderen den begehrten Ring erringen. Den Bühnenhimmel illustriert Freyer zwischendurch mit allerlei Utensilien, von Zinkbadewanne über Schubkarre bis zum Flachbildschirm, doch zaubert er mit Licht und Farben und fängt das Publikum ein. Ein immer wieder auf- und zugezogener Quervorhang lässt den Figuren voyeristische Möglichkeiten, auch lugt Puppentheater hervor als Kommentierung der Handlung. Mal lustig, mal albern, eigenwillig. Wagner selbst schätzte das Puppentheater, also passt es doch. Siegfried scheint das bislang stimmigste Produkt seiner Bühnensprache im Mannheimer Ring-Projekt.

Doch wie schon in der Walküre ist das Nationaltheater-Orchester der eigentliche Star. Dan Ettinger am Pult erreicht einen betörend intensiven Raumklang, die Balance der Orchestergruppen passt immer, der große Bogen integriert die fein gestuften Emotionen. Ganz einfach gut!

Und die Besetzung ist ausgezeichnet. Jürgen Müller in der Titelfigur muss anfangs im Liegen singen, sein Heldentenor hat Kraft, Ausdruck, Farben und Nuancen, Stemmen ist ihm fremd. Thomas Jesatko – der Bassbariton ist auch in Bayreuth präsent – argumentiert als Wanderer aus kultivierter Rundung mit geschmeidigen Phrasen. Jürgen Linn als Alberich und Sung-Heon Ha zeigen viel Charakter, Uwe Eikötter trumpft als Mime darstellerisch und sängerisch auf. Helle Koloraturen schenkt Antje Bitterlich dem Waldvogel, der bei Freyer aus der Erde herauswächst, schön ausgesteuerte Glut hat Edna Prochnik für Erda parat, die im Umkehrschluss von oben schwebt. Judith Németh gibt der Brünnhilde im Schlussbild viel dramatisches Profil, einige Spitzentöne wirken allerdings zu schrill.

Das Premierenpublikum ist begeistert, einige schüchterne Buhs eingeschlossen.

Eckhard Britsch





Fotos: Hans Jörg Michel