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Fakten zur Aufführung 

RHEINGOLD
(Richard Wagner)
28. Oktober 2011
(Premiere)

Nationaltheater Mannheim


Points of Honor                      

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Magier ohne Zauberstab

Der Vorabend der Ring-Tetralogie. Im Rheingold werden die Figuren aufgestellt, für Achim Freyer fast wie auf einem Schachbrett. Denn Freyer entwickelt keine Charaktere, sondern er zeigt Typen. In maskenhafter Statik bleiben sie gefangen in ihrem Selbst. Wie in einem Mysterienspiel setzt auch in Dan Ettingers Musikgestaltung ein Schwebezustand der Zeitlosigkeit ein, in der sich Rückschau und Zukunft zu verweben scheinen.

Achim Freyer, soeben als Regisseur des Jahres gekürt, spielt mit dem überwiegend leeren Raum. Ein bisschen Geometrie, Dreieck, Linie und Ring ordnen das Tableau der Figuren. Die Personen werden gewissermaßen abstrahiert, sie verlieren hinter Maske, Symbolen und Gesten ihre Individualität, sind ihrer Persönlichkeit beraubt und werden dadurch zu Archetypen von Machtgefühl, Neid, Ängsten und  triebartigem Schaffen. Ihre dunklen, störrischen Kostüme wirken wie Zwangsjacken, in denen Menschsein erstickt. Die Ordnung der Welt misslingt, denn weder Wotan noch Alberich, die Antipoden, haben die Größe, Eigensinn und Egoismen zu überwinden. Achim Freyer, der Inszenierung und Ausstattung verantwortet, gesellt einigen Figuren noch  puppenhafte Begleiter zu, denn die Planeten im Bühnenkosmos kreisen um sich selbst.

Mit seiner ständigen Wagner-Pflege hat das Nationaltheater Mannheim keine Probleme, Rheingold aus dem Ensemble heraus zu besetzen. Der Wotan des Bayreuth erfahrenen Thomas Jesatko besticht durch bruchlose Größe. Dem Alberich gibt Karsten Mewes komplexes Profil, denn dieser Schwarzalbe ist nicht einfach „nur“ böse, sondern handelt aus dunklen Ängsten heraus, die ihn menschlich erscheinen lassen, auch wenn ihm Freyer ein bisschen Hitler-Gesicht beimischt. Charaktertenor Jürgen Müller zeigt Loge – Freyer hat ihn mit mehreren Armen ausgestattet -  als schmeichlerisch-intriganten, schillernden Burschen. Fasolt und Fafner, in überdimensionale Kostüme gestopft, werden von Hans-Peter Scheidegger und In-Sung Sim in dunklem Aufbegehren gehalten; Uwe Eikötter ist ein schmerzlicher Mime, Thomas Berau ein wuchtiger Donner, und Juhan Tralla ein Froh mit jugendlichem Tenorprofil und einer Palette in der Hand. Die Regie sieht ihn als Maler. 

Vom Bühnenhimmel schweben die Rheintöchter herab, die von Katharina Göres, Anne-Theresa Møller und Andrea Szántó in sehr schöner Abstimmung gesungen werden. Edna Prochnik schenkt der Fricka die Wärme ihres attraktiven Mezzo, Iris Kupke der Freia helles Leuchten und Simone Schröder der Erda schicksalhafte Schwere. Das Nationaltheater-Orchester entwickelt unter Dan Ettinger einen herrlichen Wagner-Sound, in dem sich der Hörer durchweg wohlfühlen darf. Denn Überzeichnungen werden vermieden, aber alles hat Maß und Ziel.

Insgesamt eine nachdenklich machende Rheingold-Sichtung, bei der allerdings dem Magier  der Zauberstab entglitten scheint; vielleicht bleibt deshalb einige Ratlosigkeit zurück. Allerdings: So wie Freyer hat diesen Ring-Auftakt noch keiner gesehen und aufgebaut. Das Potenzial zum Besonderen ist da, muss aber in den Folgeabenden eingelöst werden, wenn die Tetralogie sich zu entwickeln hat. Das Publikum in Mannheim hat traditionell schon immer Lust auf Wagner; einige Buhs durchsetzen den herzlichen Premierenbeifall.

Eckhard Britsch






 
Fotos: Hans Jörg Michel