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Fakten zur Aufführung 

LUCIA DI LAMMERMOOR
(Gaetano Donizetti)
9. Dezember 2011
(Premiere)

Nationaltheater Mannheim


Points of Honor                      

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Waidmannsheil in Italien

Familie über alles – aber es ist keine Wohlfühl-Oase, sondern ein krudes Gemisch aus Ehre, Macht und politischen Zwängen, von Intrige und Verlogenheit. Wer nicht spurt, wird aus dem Weg geräumt. Wenn es der Familie dient, verheiratet der Clanchef seine Schwester gegen deren Willen. Regisseur Christian Pade verlegt den Schauplatz von Gaetano Donizettis Oper Lucia di Lammermoor vom schottischen Hochland nach Italien. Dort herrschen Mafia-Strukturen und das Ego des Stärkeren. So weit so gut, doch dieser Rahmen wird in der Inszenierung am Mannheimer Nationaltheater – eine Koproduktion mit Dortmund, wo die Inszenierung schon gezeigt wurde – eher blutleer gefüllt, wenngleich reichlich Blut fließt.

Enrico, den Jorge Lagunes mit reifem, wohlklingendem und die Szene beherrschenden Bariton singt, weidet unter heftigem Gewehrgeknatter den kapitalen Zwölfender aus. Sein Jagdglück ist Symbol dafür, dass Blut an seinen Händen klebt und kleben wird. Er ist ein Machtmensch mit unkontrollierten Wutausbrüchen, wenn er den Überbringer schlechter Nachrichten, seinen Hauptmann Normanno, mit scheinbarem Ertränken bestraft. Gleichzeitig treiben ihn Ängste um, denn er hat im Politikgeschäft irgendwie den Kürzeren gezogen. Der Henker wartet auf ihn, wenn er sich nicht mit jener Familie verbündet, die gerade am Zug ist.

Seine Schwester Lucia soll dafür herhalten und mit Arturo verkuppelt werden. Doch längst hat sie vor dem Himmel die Ehe mit Edgardo geschlossen, der seinerseits auf der Flucht ist. Ein wirres Durcheinander, das bekanntlich mit Wahn und Tod endet, von der Regie eher schematisch als aufregend geordnet. Dabei lässt die mit Landschaftssilhouette gerahmte Bühne von Alexander Lintl, ein Lamellenquader zwischen Wald und hinfälliger Mauer mit drehbarem Portaleinsatz, durchaus phantasievolle Figurengänge zu. Die Uniformen der Truppe mögen dem Italien des ausgehenden 19. Jahrhunderts entlehnt sein, während die Hauptfiguren in biederer Kleidung von heute stecken. Dieser Kontrast wirkt recht reizvoll.

Als Lucia überzeugt die Dortmunderin Christina Rümann als Gast, ihr inniges, überragendes Piano ist wunderschön anzuhören. Ihre Koloraturen sind glanzvoll, ihre Spitzentöne absolut sicher, um dahin zu gelangen, nimmt sie auch kleinere Registerbrüche in Kauf. Der estnische Tenor Juhan Tralla zeigt den Geliebten Edgardo als Büro-Biedermann mit Aktentasche, singt ihn weich timbriert und gestaltet ein attraktives Arioso. Arturo, ebenfalls im braven Anzug, hat einen Gangstertrupp hinter sich, um Lucia zu freien und Verträge auszutauschen. Stimmlich bleibt Benedikt Nawrath allerdings etwas blass. Eine prächtig-runde Bass-Stimme leiht Radu Cojocariu der Figur des Vertrauten Raimondo, ein etwas zwielichtiger Geistlicher. David Lee als Normanno und Katrin Wagner als Alisa komplettieren das Sängerensemble.

Die von Tilman Michael stabil einstudierten Chöre werden geradlinig aufgestellt, das Nationaltheaterorchester geht plastisch, klangbewusst und schwungvoll an die Partitur. Kapellmeister Joseph Trafton ist sein erstes Premierendirigat in Mannheim durchaus gelungen. Das Publikum bedachte das Sängerteam mit viel Beifall, reagierte auf die Inszenierung matt, als ob sich nicht viel ereignet hätte. Dennoch, diese Produktion hat ihre Qualitäten.

Eckhard Britsch

 



Fotos: Hans Jörg Michel