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Fakten zur Aufführung 

LOHENGRIN
(Richard Wagner)
6. April 2011
(Premiere: 3. April 2011)

Nationaltheater Mannheim


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Knallharter Polit-Thriller

Nein, hier handelt es sich keinesfalls um ein „edles Gedicht sehnsüchtigen menschlichen Verlangens“ von einer träumerischen, reinen Maid, die von ihrem Traum-Mann aus frevlerischer Verleumdung erlöst wird. Am Mannheimer Nationaltheater erzählt Tilman Knabe einen knallharten Polit-Thriller mit Folter, Geheimdienst, Militär und heimtückischen Machtspielen, in deren Mittelpunkt Elsa steht, die an die Spitze des Staates Brabant gelangen will und Teil eines unaufhaltsamen Komplotts ist. Und Knabe berichtet auch von der vermeintlichen Macht der Medien, die sich um schöner, verkaufsträchtiger Bilder willen beliebig manipulieren lassen. Eine böse, harte Story von heute.

Manipuliert werden ebenso die Volksmassen, auch das Militär und besonders jene Volksvertreter, die sich im Pseudo-Parlament (Bühne: Johann Jörg) heftig an den Kragen gehen je nach politischem Lager, wenn sie wetterwendisch mal dem einen zujubeln, dann dem anderen. Denn Brabant ist führungslos, und eine vorgeschobene Galionsfigur namens Lohengrin, in Wirklichkeit ein politischer Gefangener, soll der Kamarilla zur Legitimation dienen. Ums Überleben unterschreibt er den Pakt mit Elsa, König Heinrich und dem Politprofi „Heerrufer“, der die intriganten Fäden in der Hand hält und am Ende vom elegant-grauen Straßenanzug Marke Guttenberg in die Marschall-Uniform schlüpft (Kostüme: Kathi Maurer) und sich als Führer zujubeln lässt.

Das ist sehr stringent und durchaus plausibel vorgeführt; auch Blut muss bei Knabe fließen, allerdings fehlen die mythischen Bezüge, das christlich-heidnische Gegensatzmotiv wird unterschlagen und das „Frageverbot“, für Herrn Wagner immerhin Auslöser zu wirkmächtiger Dramaturgie und Musik, bleibt in Mannheim völlig bedeutungslos. Was Wunder, dass dem Inszenierungsteam Wogen der Empörung entgegenschlugen, weiß „man“ im theaterbewussten Mannheim doch ganz genau, wie Lohengrin zu ordnen und zu inszenieren ist.

Elsa ist skrupellos in ihrem Machtwillen; eine Frau, die über Leichen geht, und bei Knabe auch ihren Bruder Gottfried auf dem Gewissen hat. Als optisches Vorbild dient die ukrainische Politikerin Julia Timoschenko, ja genau, die mit dem blonden Gretchengeflecht auf dem unschuldig lächelnden Haupt. Ludmila Slepneva spielt und singt diese Figur mit nervöser Energetik als Getriebene des eigenen Ehrgeizes. Ihre Gesangslinie umfasst dramatische Schärfung der Spitzen und variables Timbre für die weiten Emotionen dieser Figur, die immerhin vor dem Brautbett schon im Brautkleid noch eine harte, schnelle Nummer mit dem Heerrufer schiebt. Der ist bei Nikola Discić auch stimmlich gut aufgehoben, der diesen Zyniker bis hin zu jugendlich-heldischem Tenorausdruck steigert.

Als Lohengrin brilliert István Kovácsházi: Ein eher nachdenklicher Typ, der ungewollt zwischen die Räder gerät und einen oft samten geführten Heldentenor einbringt. Bestens, wäre da nicht manchmal ein nasaler Unterschleif zu hören. Als selbstquälerischer Telramund setzt Thomas Jesatko eher weiche, runde Akzente, denn Abgründiges untersagt ihm die Regie. Publikums-Star in der hier besuchten B-Premiere war Heike Wessels als hinterhältig auf die Chance wartende Ortrud; großartig in den mittleren und hohen Lagen, in den tiefen Farben etwas blass. Der seriöse Bass von Rúni Brattaberg (König Heinrich) wirkte in den ersten beiden Aufzügen deutlich stabiler als im letzten. Schade, denn das Material ist da.

Musiziert wird vom Nationaltheater-Orchester und vom Chor überragend, denn Dan Ettinger bringt die Partitur nicht nur zum Leuchten, sondern klopft sie in Parallelität zur Inszenierung auf ihre erregende Sprengkraft ab. Der Jubel der Mannheimer für Solisten, Ensemble und Musiker war entsprechend.

Eckhard Britsch

 







Fotos: Hans Jörg Michel