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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
22. März 2013
(Premiere)

Nationaltheater Mannheim


Points of Honor                      

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Kehraus im Welttheater

Sicherlich, Achim Freyer erzählt keine Geschichte(n) und nach Deutung von Wagners Ring des Nibelungen wird man auch in der Götterdämmerung vergeblich suchen. Dafür aber entschädigt Achim Freyer, ein Magier, der am Mannheimer Nationaltheater multipotent für Inszenierung, Bühne, Kostüme und Lichtkonzept sorgt, mit einem visuellen Spektakel. Denn sein kleines oder auch großes Welttheater zieht über surreale Bilder, eigenwillige Assoziationen, egozentrische Chiffren und skurrile Accessoires durchaus in einen optischen Bann, dessen Wirkung allerdings verpuffen würde, wenn nicht das Nationaltheaterorchester unter Dan Ettinger einen attraktiven, polierten, raumgreifenden und intensiven Wagner-Sound beisteuern würde.

Irgendwie ist Kehraus-Stimmung. Wie mit der Götterdämmerung oft die Geschichte der Vorabende reflektiert wird, so lässt Achim Freyer noch einmal die Figuren Revue passieren. Auch das Zubehör: Neon-Leuchtstangen, Planeten-Kugeln, versponnene Fahr-Stühle und Puppenspiel-Elemente setzen szenische Akzente, ohne die Bühne zuzustellen. In Slow Motion sind meist die Bewegungsabläufe angelegt, denn die Götter-Menschen-Welt scheint in Agonie gefangen. Alles voller Imagination, doch nur wenig von prägender Substanz; Licht und Projektionen lassen Flammenbänder aufzüngeln und erlöschen, das Ross Grane kommt per Seilzug von oben, wohin es wieder entschwindet.

Seltsame Pappkameraden bevölkern die Szene, versteckt hinter gesichtslos-uniformierten Masken oder weiß-schwarz geschminkten Gesichtern. Doch Siegfried darf den Clown spielen, er ist fast ein tumber Tor, dem man über die Trichter-Tarnkappe eintrichtert, was zu tun sei. Hagen, der Abgründige, wird als abgewirtschafteter Zirkusdirektor-Buffo das Geschehen steuern, und Christoph Stephinger, dessen Karriere einst in Bielefeld startete, singt ihn mit runder Bass-Seriosität; das bronzen-glühende Timbre seiner Stimme und die saubere Zeichnung der Phrasen macht ihn zum Sänger-Star des Abends. Klar, das hätte vom Potenzial her auch Jürgen Müllers Siegfried sein können, doch der jugendliche Held ist von Krankheits-Nachwehen gehandicapt, so dass manche Nuancen fehlen.

Sängerisch bleibt Brünnhilde Eva Johansson deutlich unter Wert, denn die dramatische Kraft und der explosive Ausdruck ihrer Stimme werden am Premierenabend durch intonatorische Schwächen spürbar beeinträchtigt. Auch Cornelia Ptassek als Gutrune hat Krankheits-Nachwehen, ihr Sopran wirkt nicht so farbenreich wie gewohnt. Nationaltheater-Niveau bieten natürlich der Bayreuth erfahrene Thomas Jesatko als Alberich, Freyer lässt ihn mit Hitlerbärtchen auftreten, und Thomas Berau als Gunther. Ausgezeichnet der dramatische Alt von Edna Prochnik als Waltraute und erste Norn; ihr zur Seite im Unheil-Schwarz die Nornen Andrea Szántó und Iris Kupke; nett anzuschauen die Revuegirls mit Zylinder Katharina Göres, Viola Zimmermann und Andrea Szántó, die als Woglinde, Wellgunde und Floßhilde um den ominösen Ring girren. Der riesige Chor mit Direktor Tilman Michael nimmt die große Klang-Geste von Dan Ettinger überzeugend auf.

Das Mannheimer Haus hat den Freyer-Ring recht vollmundig als das Theaterereignis annonciert. Das Premierenpublikum weiß nicht so recht, ob es deshalb jubeln soll, und begnügt sich mit herzlichem Beifall.

Eckhard Britsch

Fotos: Hans Jörg Michel