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Fakten zur Aufführung 

DER FREISCHÜTZ
(Carl Maria von Weber)
25. Oktober 2013
(Premiere)

Nationaltheater Mannheim


Points of Honor                      

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Der deutsche Wald hat ausgedient

Was bedeutet "Romantik" in einer modernen Welt, und was sagt uns die irrationale, mystische Phantastik in Carl Maria von Webers Oper Der Freischütz? Armin Holz, renommierter und umstrittener Theatermann, der in Mannheim seine erste Operninszenierung vorstellt, hat darauf eine spöttische Antwort: Nichts bis wenig. Doch darf in kühler Entschlackung ein Märchen angeschaut werden, dessen Sänger/Spieler sich über den Stoff lustig machen und in skurrilen Tableaus das Stück ironisieren. Nicht schlecht, dieser alle Seherwartungen radikal in Frage stellende Ansatz, an dem man im Lauf des Abends durchaus Gefallen finden kann.

Holz und sein bildnerisches Alter Ego Matthias Weischer bestücken die Bühne vor hell ausgeleuchtetem Hintergrund sparsam mit abstrahierten Versatzstücken. Der deutsche Wald hat ausgedient. Allenfalls ein vermoderter Baumstamm oder eine rötliche Eule symbolisieren jene Welt. Ansonsten werden geometrisch intendierte Elemente von Bühnenarbeitern herbeigeschoben und wieder ausgeparkt, eine Marotte, die immer mehr um sich greift. Aber die Nicht-Möblierung hilft, den Blick ganz auf die Figuren zu konzentrieren, die Esther Walz charmant kostümiert. Agathe in damenhafter roter Robe scheint leicht desinteressiert an ihrem angeblich so sehnsüchtig erwarteten Max; Ludmila Slepneva singt ausgezeichnet und spielt abgeklärt. Tamara Banjesevic, das Ännchen, hingegen darf in einem flotten, leicht frivolen Fummel die lockeren Koloraturen winden.

Die Regie bindet István Kovácsházi in eine ganz auf Zerquältheit und Selbstzweifel mündende Zeichnung. Embryonale Haltung wirft ihn zu Boden, dieser arme Kerl hat eigentlich wie der deutsche Wald ausgedient, wird aber dennoch gebraucht, denn dieser Tenor hat alles, was diese Figur auszeichnet: Höhe, Empathie und Nuancen. Den Bösewicht Caspar singt Bassbariton Thomas Jesatko mit abgründiger, die Handlung antreibender Intensität. Ottokar und Cuno sind bei Lars Moller und Bartosz Urbanowicz mit tiefen Stimmen gut aufgehoben, und der Kilian von Nikola Diskic hat helle Tenorfarben. John in Eichen ist mit seinem seriösen Bass ein klassischer, hier aufrecht auf Plateausohlen stehender Eremit, während die Brautjungfern in rosa Hängerchen von Violetta Helwig angeführt werden. Eine Sonderrolle darf Klaus Schreiber als Samiel spielen. Die Regie hat ihm zusätzliche, fast konterkarierende Texte zugedacht; mit Magierhut bewaffnet setzt er seine ganze deklamatorische Mimenkunst dafür ein.

Das – wie meist – gut aufgelegte Orchester wird von Alois Seidlmeier in maßvollen, manchmal fast ein wenig dehnenden Tempi gehalten. Der von Tilman Michael einstudierte Chor, zeitweise in den seitlichen Logen platziert, erzeugt plastischen Raumklang.

Das Publikum feiert die musikalische Mannschaft und lässt Buhrufe auf das Inszenierungsteam regnen, für eine widerborstige, manchmal vielleicht etwas unausgereift wirkende, aber ästhetisch durchdachte Freischütz-Sicht. Interessant und sehenswert ist sie allemal.

Eckhard Britsch

Fotos: Hans Jörg Michel