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Fakten zur Aufführung 

DON CARLO
(Giuseppe Verdi)
2. Februar 2013
(Premiere)

Nationaltheater Mannheim


Points of Honor                      

Musik

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Beklemmende Szenen

Es ist doch eine zeitlose Geschichte, die uns Schiller mit seinem gedanklichen Pathos und in seinem Gefolge Giuseppe Verdi mit der Oper Don Carlo erzählen: ein autokratischer König, es könnte genauso gut oder schlecht ein Politbüro sein, mauert sich ein in der Idee vom Gottesgnadentum. Sein Reich, das Philipp II. vom übermächtig-düsteren Vater Karl V. geerbt hat, zerfranst; Freiheitsbewegungen wie in Flandern werden brutal zusammenkartätscht, Realität bleibt ausgeblendet. Ein beklemmendes Szenario, das sich in der Politik-Geschichte immer wiederholt, egal ob Assad am Posten klebt, oder Breshnew nichts mehr mitkriegt.

Jens-Daniel Herzog, früher Schauspieldirektor an der Schiller--Bühne Mannheim und seit 2011 Opernintendant in Dortmund, besorgt fürs Nationaltheater Mannheim die Neuinszenierung von Don Carlo. Er nimmt keine vordergründige Aktualisierung vor, zeigt aber die Zeitlosigkeit etwa durch kontrastierende Kostüme, wenn Philipp, Don Carlo und Elisabetta in der steifen Kleiderordnung Spaniens im 16. Jahrhundert eingezwängt sind, während die anderen Figuren in Straßenanzug, Uniform und Kostüm Assoziationen zum Heute wecken. Die von Mathis Neidhardt gestaltete Bühne mit bedrohlich-klassizistischer Architektur gestattet durch geschickte Verschiebetechnik, sowohl „Macht“ als auch „Privatheit“ zu illustrieren.

Denn Herzog geht es um den Zusammenprall und die Durchdringung dieser Bereiche, was zur Katastrophe führen muss, wenn Leute, die im Weltmaßstab Politik zu machen glauben, gleichwohl auch von persönlichen Leidenschaften und labiler Psyche bestimmt sind. Wo aber ist der Knackpunkt im Herrschaftssystem? Philipp II. lässt ein Vakuum zu, in das sich die Inquisition hineindrängt und zum wahren Machthaber aufschwingt. Wenn unter anderem die Generäle rings um den Herrscher exekutiert werden, dann trägt das zu dessen Isolierung bei. Der Großinquisitor darf triumphieren.

Die Inszenierung zeichnet sich durch eine beklemmende Atmosphäre aus, wenn sich Figuren unentrinnbar im Knäuel zwischen Politik und Privatem verstricken. Liebe wird nicht mehr möglich, Leiden hingegen zum Standard.

Musikalisch sind die groß auftrumpfenden Chöre in der Einstudierung von Tilman Michael bemerkenswert, während das Nationaltheater-Orchester von Alois Seidlmeier zwar mit wuchtigen Schlägen bis hin zur Bläser-Brutalität angeleitet wird; feinere Zeichnungen und das nuancierte Ausdeuten der Partitur auch in der Sängerführung scheinen am Premierenabend indes auf dem Altar plakativer Wirkung geopfert. Eine Glanzpartie liefert Galina Shesterneva als Elisabetta ab, bestens die Stimmführung, wunderschön leuchtend auch die Farbabstufungen. Don Carlo von Roy Cornelius Smith fällt durch große, raumfüllende, heldentenorale Zeichnung auf, im Piano-Bereich aber wäre feineres Timbre noch ein Zusatzgewinn. Der Bass von Sung-Heon Ha verbindet Stärke und gequälten Ausdruck; Jorge Lagunes hat auch baritonale Empfindsamkeit für den Marquis von Posa parat, während Thomas Jesatko den Großinquisitor am Blindenstock mit unbedingtem Machtwillen gestaltet. Heike Wessels gibt der intriganten, von Begehren zerfressenen und dann reumütigen Prinzessin Eboli dramatisches Profil; als „Stimme von oben“ brilliert Cornelia Ptassek mit feinen Lyrismen, während Tamara Banjesevic Tebaldo in jungenhafter Aura gestaltet.

Die Premierenbesucher streuen einige Buhs für Dirigent und Regisseur ein, sind ansonsten begeistert.

Eckhard Britsch

 

Fotos: Hans Jörg Michel