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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
17. September 2011
(Premiere)

Staatstheater Mainz


Points of Honor                      

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Ein Krieger am Tropf

Vielversprechend schon das Vorspiel, weil der neue Mainzer GMD Hermann Bäumer das sehr gute Philharmonische Staatsorchester mit weitem Atem wunderschön musizieren lässt, um den Kulminationspunkt mit außerordentlicher Intensität anzusteuern. Dieser erste Eindruck eines bemerkenswerten Wagner-Dirigenten festigt sich über den ganzen Premierenabend, als Bäumer mit Wagners Tristan und Isolde seinen Einstand am dortigen Staatstheater gibt. Das geschärfte musikalische Profil stößt dabei auf die Inszenierung eines Regisseurs, der immer Profil zeigt: Tilmann Knabe. Sein Mannheimer Lohengrin aus der letzten Saison sorgt dort immer noch für Gesprächsstoff, und den Mainzern wird es mit Knabes Tristan und Isolde ebenso gehen. Die gespaltene Reaktion des Publikums, halten sich doch Buh und Bravo für die Inszenierung die Waage, deutet darauf hin.

Nun geht es dem Regisseur mehr um zeitgemäße Deutung als um Provokation, auch wenn er gerne reichlich Blut fließen lässt, was sich in Mainz sogar noch in Grenzen hält, trotz etlicher Verwundungen der Hauptfiguren. Denn irgendwie herrscht permanent Krieg, und Knabe findet dafür Bilder aus der aktuellen Medienwelt. Die Kalaschnikows im Anschlag bedrohen sich Trupps gegenseitig, erniedrigen die gefangenen Frauen - mit Kopftüchern ausstaffiert, nur Isolde reißt es sich vom Kopf! - verhöhnen alle, die am Boden liegen, akklamieren devot dem Diktator König Marke und scheinen manchmal selbst nicht genau zu wissen, wessen Seite sie Loyalität schulden.

Auch Isolde ist hier nicht eine abstrakte Folie für Wagners unerfülltes Liebeswähnen, sondern ein politisches Wesen; denn als Königstochter und Kriegsbeute lebt sie gewissermaßen in Geiselhaft, aus der heraus sie über die Liebe Selbstbestimmtheit erringen will. Da kommt ihr im zweiten Aufzug ein Laptop zupass, auch nimmt sie ein Gewehr in Anschlag, begegnet zuvor Tristan im kalten Schiffsbauch mit skeptischer Wut, ehe ein Trank sie schmelzen lässt. Aber auch dann löst Knabe diese Figur aus männlicher Abhängigkeit, weil Isolde Herrin der Handlung scheint. Ruth Staffa, frisch im Mainzer Ensemble, liefert einen fulminanten Abend ab, denn ihr dramatischer Sopran  bleibt in dieser mörderischen Partie immer stabil und wird von attraktivem Gleißen getragen. Ihre „Liebestod“-Szene ist kaum zu übertreffen.

Die Bühne wird von Beatrix von Pilgrim als gefühlskalte „Heimstatt“ aufgerüstet, in der  „Behaustsein“ scheitern muss. Unter Deck herrschen im ersten Aufzug geradezu klaustrophobische Zustände, während der zweite Aufzug vom Versammlungsraum eines diktatorischen Regimes beherrscht wird. Im Schlussaufzug findet sich der verwundete Tristan mit seinen letzten Getreuen, einem zerfledderten, demoralisierten Haufen, in einer heruntergekommenen Industriebrache wieder, was alles in den Kostümen von Kathi Maurer entsprechend gespiegelt wird. Der Krieger hängt im Schlussbild am Tropf, und Kurwenal setzt ihm mehrfach den Defibrillator auf die Brust, was letztlich am Bühnentod nichts ändert. Alexander Spemann kann mit seinem Heldentenor nicht ganz jene Spannung aufbauen, die ihm eignet, einige Höhen geraten etwas eng, aber seine Bühnenpräsenz und sein Einfinden in diese Tristan-Sicht sind bemerkenswert.

Sehr gut gefallen Heldenbariton Heikki Kilpeläinen als Kurwenal und der intensiv geführte Mezzo von Patricia Roach als Brangäne, während man Hans-Otto Weiß als König Marke noch ein wenig mehr an Bass-Durchschlagskraft wünschte; auch der Melot von Jürgen Rust, Hirte Thomas Büttner, Steuermann Richard Logiewa und der junge Seemann Alexander Kröner komplettieren das sehr gute, hauseigene Ensemble, zumal der Chor in der Einstudierung von Sebastian Hernandez-Laverny sängerisch und darstellerisch auftrumpft.

Musikalisch ein großer Abend, und die Inszenierung zeigt Charakter.

Eckhard Britsch






 
Fotos: Martina Pipprich