Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DER PRINZ VON HOMBURG
(Hans Werner Henze)
12. Januar 2013
(Premiere)

Staatstheater Mainz


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Gefangen in somnabuler Welt

Und immer wieder begegnet dem Menschen der Staat als Abstraktum, denn dessen sogenannte „Raison“ fordert das eigentlich Unmögliche: Die Selbstaufgabe seiner Untertanen, die im Zwiespalt zwischen Privatheit und Befehl, selbst wenn er unsinnig wäre, zerrieben werden. Auch der Prinz von Homburg erleidet bei Kleist solches Schicksal, doch im Libretto von Ingeborg Bachmann wird das noch mehr in wunderschöne Lyrismen gefasst, die unbedingt vertont werden wollten.

„Mir war, als ob, von Gold und Silber strahlend, ein Königsschloss sich plötzlich öffnete“ – diese Sprache trägt Rhythmus und ihren eigenen Klang in sich. Der vor Kurzem im gesegneten Alter von 86 Jahren gestorbene Hans Werner Henze hat ihn in seiner frühen Oper Der Prinz von Homburg erweckt, und das Staatstheater Mainz zeigt jetzt das Musiktheaterwerk mit der Inszenierung von Christof Nel in seiner Bedeutung: Als Schlüsselwerk des vergangenen Jahrhunderts nach dem Krieg, wenn der junge Henze dem damals herrschenden neutönerischen Diktat seine individuelle Sicht entgegensetzt. Ein Komponist gebietet über alle handwerklichen Mittel, doch verweigert er sich musiktheoretischen Ideologien.

Das hört sich heute fast prophetisch an, wenn über ein halbes Jahrhundert später Komponisten entdecken, dass die menschliche Stimme nicht nur für Experimente taugt, sondern auch für den Gesang geschaffen ist. Das hat Henze vorbedacht; Sein Prinz, wunderbar selbstquälerisch in Todessehnsucht sich verlierend, der sensible Bariton Christian Miedl, schöpft die Traumwelt dieser Figur facettenreich aus. Denn dieser Homburg will sich weder dem Kriegshandwerk widmen, auch wenn er eine Schlacht durch vorschnelles Handeln für seinen Kurfürsten gewinnt, noch kann er Liebe leben. Seine Zwischenwelt scheint eher im psychischen Dämmerzustand gefangen. Daran wird auch Prinzessin Natalie scheitern, die von Vida Mikneviciute in verführerischer Gestalt und mit hell-intensivem Gesang gezeigt wird. Die Begnadigung des wegen Befehlsverweigerung vom Kriegsgericht zum Tod verurteilten Homburg durch seinen Landesherrn wird nichts ändern: Alexander Spemann gibt jenem Brandenburger fürstliche Stabilität.

Im Dämmer der von Roland Aeschlimann in geometrischer Abstraktion gestalteten Bühne lässt Christoph Nel die Protagonisten in den militärisch beeinflussten Kostümen von Barbara Aigner ihre Irritationen und Konfrontationen ausleben, doch im Gunde bleiben alle fast autistisch in ihrer Scheinwelt gefangen. Nel glückt eine weitgehend suggestive Zeichnung der Figuren. Sanja Anastasia als mezzo-timbrierte, zuwendende Kurfürstin, Heikki Kilpeläinen mit kraftvollem Bariton als Feldmarschall Dörfling, Thorsten Büttner mit hellem Tenor als Graf Hohenzollern und Bassist Hans-Otto Weiß als Obrist von Kollwitz komplettieren das brandenburgisch-preußische Personal, das den Schweden eins aufs Haupt geben will.

Hermann Bäumer am Pult des Philharmonischen Staatsorchesters stellt die kompositorischen Gegensätze sehr schön heraus, denn Henze bedient sich fürs Militärwesen serieller Techniken, während das „Menschliche“ arios ausgesungen werden darf. Diese Klangwelten blühen sehr schön auf, allerdings überdeckt das Orchester die Sänger an einigen Stellen.

Das Premierenpublikum feiert die von Deutschlandradio live übertragene Aufführung.

Eckhard Britsch

 



Fotos: Martina Pipprich