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Fakten zur Aufführung 

MARIA HILF
(Pergolesi/Sciarrino/Lachenmann)
4. Februar 2013
(Premiere)

Staatstheater Mainz


Points of Honor                      

Musik

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Sangeskunst am Limit

Ein Abend mit zwiespältigen Empfindungen. Das Staatstheater Mainz hat im kleinen Haus unter dem Titel Maria Hilf gegensätzliche Sichtweisen über Verlust und Schmerz zusammengefügt und dabei Pergolesi, Sciarrino und Lachenmann zu einer Vision vereint, wobei die bindende Klammer verloren zu gehen scheint. Denn was wie im Fokus aus verschiedenen Blickwinkeln auftauchen könnte, das verliert sich in der musikalischen Disparität.

Dabei wirkt der Ansatz von Georg Schütky, der die Inszenierung verantwortet, durchaus schlüssig, wenn er existenzielle Brüchigkeit nachweisen will und die Zeichenhaftigkeit von Musik, Sprache und Bildern in der Bühnengestaltung von Yassu Yabara miteinander verklammert. Aber hält die Klammer oder zerfasert der Dreiteiler nicht doch aus seinen inneren Fliehkräften heraus in die Beliebigkeit verschiedener Stile?

Naturgemäß hinterlässt das Stabat Mater von Giovanni Pergolesi einen intensiven Eindruck, denn die finale Komposition über den Schmerz der Mutter Gottes reklamiert für sich absolute Gültigkeit, auch wenn die historisch informierten Instrumentalisten des Staatsorchesters Mainz unter Leitung von Stephan Zilias stellenweise unsauber spielen. Aber der wunderbar feinfühlige Gesang von Patricia Roach, Mezzosopran, und Tatjana Charalgina, Sopran, eingebettet in eine symbolistische, halbszenische Personenführung mit Kreuzigungs-Metaphern, Aufbegehren und Ergebung, lässt diese Musik die Seele berühren.

Das schafft auf seine Art auch Salvatore Sciarrino mit Infinito Nero nach dem Text der Mystikerin Maria Maddalena de’ Pazzi. Die extreme Minimalisierung des musikalischen Materials und die Reduktion der Mezzo-Singstimme auf einen sinnhaften Kern lassen die Zeit stillstehen, um den Begriff „Ekstase“ von seiner komplementären Deutung her abzuleiten. Und schließlich Got Lost von Helmut Lachenmann? Seiner Dekonstruktion von Text und Musik bis hin zu dadaistischem Gestammel ob eines verlorenen Wäschekorbs steht die Regie hilflos gegenüber und flüchtet sich in beliebige Bilder von Gartenschlauchgespritze oder Hin-und Herrücken von Notenständern. Absurdes Theater, wäre da nicht der brillante Gesang von Tatjana Charalgina, die mit extremer Artistik die atomisierten Geräuschklänge und evokativen Exaltationen im Einklang mit dem Pianisten Stephan Zilias vollzieht. Dennoch bleibt der Zusammenhang zu Maria Hilf rätselhaft.

Das ist so manchen in Ehren ergrauten Theatergängern denn doch zuviel, die demonstrativ den Saal verlassen. Unhöflich gegenüber der Sängerin, deren Kunst jede Aufmerksamkeit verdient, egal ob man Lachenmann mag oder nicht.

Am Ende viel Beifall, der allerdings eine gewisse Ratlosigkeit nicht verbirgt.

Eckhard Britsch

 

Fotos: Martina Pipprich