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Fakten zur Aufführung 

LA GERUSALEMME LIBERATA
(Carlo Pallavicino)
17. Mai 2013
(Premiere)

Staatstheater Mainz


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Auch Christen brauchen Zauberer

Mit Ausgrabungen ist es so eine Sache. Die Barockoper verzeichnet eine Unzahl an immer wieder ähnlich gestrickten Erzeugnissen. Das mögen die Musikwissenschaftler bestreiten, die überall Individualität erkennen, schon um eine Vielzahl an Promotionsthemen zu kreieren, der Hörer hingegen verliert sich im scheinbaren Einerlei von Rezitativ und Arie. Was tun, um diesem Dilemma zu entkommen? Am Staatstheater Mainz, im kleinen Haus, ist die Oper La Gerusalemme Liberata“ - Das befreite Jerusalem - von Carlo Pallavicino das Objekt der Entdeckerfreuden. Der war in Dresden und Venedig eine Berühmtheit, wo das Werk 1686 uraufgeführt wurde. In Mainz fällt als erstes die vom Staatsorchester mit historisch informierter Verve unter Christian Rohrbach ebenso agil wie klangsensibel aufbereitete Musik auf. Da knistert es an allen Ecken und Enden, und die sängerische Nummernfolge erfährt spannungsgeladene Zielrichtung.

Das andere ist naturgemäß die Regie. Sandra Leupold, in Mainz fast so etwas wie Hausregisseurin, verzichtet dieses Mal auf ihre geliebten Stühle als Accessoire, jetzt müssen die Protagonisten allerlei Leitern erklimmen. Das macht insofern Sinn, als Befestigungen nur so zu schleifen wären. Viel interessanter aber ist, dass Frau Leupold das librettistische Durcheinander - dort geht es um Liebe, Eifersucht, Krieg zwischen Christen und Sarazenen, Bekehrung, Amazonen-Ego und viel Magie – zu einem heißen Kampfsport-Abend mit artistischen Herausforderungen an Strickleiter und Höhenkletterei umformt. Das ist bis hin zur Pantomime geschickt gemacht und verlangt den Akteuren alles ab. Die Kostüme von Andreas Wilkens, der auch die Bühne verantwortet, sind witzig und unterstützen die turbulente Konzeption angemessen frech.

Unter der überbordenden Körperlichkeit mögen die überwiegend jungen Stimmen mitunter etwas leiden. Dennoch: Radoslava Vorgic agiert in der Hosenrolle des Ritters Tancredi ausgezeichnet; ihre präzisen und eleganten Koloraturen gehen konform mit der schlanken und ranken Erscheinung. Verliebt ist Tancredi in Clorinda mit dem Flitzebogen auf dem Rücken wie weiland Amor. Saem You gönnt sich und uns einige intonatorische Schwächen, zeigt aber gutes, ausbaufähiges Potenzial. Dann gibt es die heidnische Magierin Armida, die Christen zur Bewegungslosigkeit bannt, um ihre Ziele durchzusetzen, dann aber Opfer ihrer Verliebtheit wird. Aline Wilhelmy singt die Partie mit samten gefütterten Mittellagen sehr schön.

Auch die Christen bieten einen Zauberer auf, um Armida in die Schranken zu weisen. Der heißt Ubaldo, hat einen Zylinder auf und allerlei Zauberzeugs dabei: Der Counter Alin Deleanu steigert sich im Lauf des Premierenabends ebenso wie der kanadische Counter Michael Taylor als Rinaldo, dessen Stimme in sich ausgereift und stabil ist. Rinaldo wird von der Liebe hin- und hergerissen, das Problem löst sich dadurch, dass sich Armida am Ende, ihrer zauberisch-schönen Robe in Türkis entledigt, bekehren lässt. Toll, damals war die Welt noch in Ordnung, und die Christen wussten, wo es lang geht.

Der Schlussvorhang zeigt 15 Solisten mit mehr oder weniger großen Partien, und das Premierenpublikum ergötzt sich an Pallavicinos Werk voller Bewunderung für die vitale Umsetzung.

Eckhard Britsch







Fotos: Martina Pipprich