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Fakten zur Aufführung 

ELEKTRA
(Richard Strauss)
7. September 2012
(Premiere)

Staatstheater Mainz


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Pulverdampf und Sudelblut

Am Ende stinkt es nach Kordit, und Elektra ist mit reichlich Blut besudelt, ehe sie von ihrer Schwester Chrysothemis hinterrücks erschossen wird. Denn die will verhindern, dass die in wütendem Wahn gefangene Rächerin ihren Sprengstoffgürtel zündet. Regisseur Tilman Knabe ist für eine drastische Bühnensprache bekannt, und in Mainz wird er zur Saisoneröffnung seinem Ruf gerecht. Er verlegt den mythologischen Stoff einer griechischen Tragödie ins Heute. Die Hilfstruppen sehen nach GSG 9 aus, die Uzi haben sie im Anschlag, vielleicht sind es auch Kalaschnikows, Eva-Mareike Uhlig besorgt die Kostüme; die von Annika Haller ausstaffierte Bühne ist total zugemüllt und imaginiert mit Stacheldraht und Bürgerkriegsleichen ein drastisches Szenario einer untergehenden Welt. Es könnte ein entfesselter Jugoslawien-Konflikt sein, oder auch sonstwo auf dieser Erde, jedenfalls haben es die Sänger schwer, zwischen all den Stolperelementen Halt zu finden. Denn bei Richard Strauss soll ja gesungen werden!

Hermann Bäumer, jetzt am Anfang seiner zweiten Saison als Generalmusikdirektor in Mainz, hält mit dem ausgezeichnet aufspielenden Staatsorchester kräftig dagegen. Die verstörend-ablenkende Optik pulverisiert er mit kühnem Zugriff auf die Partitur, deren dramatische Form er ausschöpft und mit aufregendem Leben erfüllt, ohne die Sänger zu überdecken. Die überzeugen, allen voran Ruth Staffa, in Mainz auch schon als Wagner-Sängerin im Fokus. Sie gibt der Elektra darstellerisch gewaltige Power, immer aggressiv in ihrer fundamentalistischen Rache-Obsession und großartig im sängerischen Ausdruck. Als Chrysothemis gastiert Helen Lyons, sie wird im eleganten Chanel-Kostüm als Verkörperung der bürgerlichen Gegenwelt gezeigt, in der Träume von Glück und Liebe Raum haben. Helen Lyons stellt viele Schattierungen mit ihrem Sopran bereit. Sanja Anastasia singt mit starkem Ausdruck eine an der Flasche hängende Klytämnestra. Ihr Liebhaber Ägisth torkelt ebenfalls im Suff dahin, ehe ihn der Kugelhagel dahinrafft: Alexander Spemann mit charakterisierendem Tenor. Und schließlich Orest als Rächer im Straßenanzug, den Bariton Heikki Kilpeläinen fast zu rund singt. Die vielen kleinen Partien sind aus dem Ensemble heraus gut besetzt, der hier bei Strauss wenig beschäftigte Chor geht im Bürgerkriegsgetümmel fast unter.

Das Premieren-Publikum ist etwas ratlos in Sachen Inszenierung und feiert die musikalische Umsetzung.

Eckhard Britsch

Fotos: Martina Pipprich