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Fakten zur Aufführung 

WERTHER
(Jules Massenet)
30. April 2012
(Premiere am 29. Januar 2011)

Theater Magdeburg

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Werther im Puppenhaus

Bereits Massenets düster-mächtige Ouvertüre lässt ahnen: Das nimmt kein gutes Ende. – Auch in der Opernfassung verliert Werther liebestoll erst den Verstand und dann das Leben - von eigener Hand. Komponist und Librettisten bleiben der Vorlage des Briefromans von Goethe weitgehend treu und schaffen eine romantisch-tragische Oper, die die bekannte Dreiecksgeschichte erzählt. Kaspar Glarner hat mit einer großen schwarzen Wand, aus der sich immer wieder neu erleuchtete Fenster öffnen und einen Blick auf die Handlung freigeben, ein einfaches, aber wirkungsvolles Bühnenbild geschaffen. In diesem Puppenhaus können die Handlungsorte überraschend und schnell gewechselt werden. Die Personen treten in historischen Gewändern der Biedermeierzeit auf, die Räume sind bürgerlich-plüschig ausgestattet, die friedvolle Familie übt schon im Sommer auf Drängen des strengen Vaters ein Weihnachtslied, das Idyll wird immer enger. Nachdem Werther als Freund der Familie auftaucht und die reizende Tochter Charlotte kennen lernt, nehmen die Oper und das Schicksal ihren Lauf. Sie ist bereits mit Albert verlobt und soll diesen in Kürze ehelichen, eine Tragödie kündigt sich an. Charlotte bleibt dem sie bedrängenden Werther gegenüber zunächst standhaft, fordert ihn gar auf “Gehen Sie fort!“. Werther flüchtet sich in erste Selbstmordträume, die er in Briefen auch seiner Charlotte gegenüber offenbart. Beide verstricken sich in ein zunehmend emotionaler werdendes Spiel. Als Werther ausgerechnet Albert brieflich um Pistolen bittet, scheint ein Drama unausweichlich. Charlottes Versuch, Werther von seinem Selbstmordplan abzubringen, kommt zu spät, er stirbt in ihren Armen.

Walter Sutcliffe ist in dieser Inszenierung, die seit Januar 2011 in Magdeburg auf dem Programm steht, voll in die phantastisch-romantischen Ideen der Zeit und des Romans Goethes eingetaucht. Die Figuren stammen aus der Zeit, die Handlung und ihre Spannungsmomente sind romantisch verklärt und überhöht, und die Probleme der Liebenden, die scheinbar aussichtslose Situation und eine fatale Lösung, die keine Lösung ist, erscheinen aus heutiger Sicht seltsam weltfremd, ein wenig versponnen. Massenets Musik unterstreicht mit ihren weichen, harmonischen Kadenzen und Arien die Stimmung, wie man sie in einer heilen Welt erwartet. So können Michael Balke und die Magdeburger Philharmonie einen breiten wohlklingenden Klangraum öffnen, in den sich die Zuhörer gern einfühlen. 

Die Gesangsrollen bieten  den Sängern alle Möglichkeiten, romantisch-dramatische Wohlklänge auszubreiten. Nicht alle Zuhörer mögen sich mit dem Klang des technisch hervorragenden romantischen Tenors von Iago Ramos anfreunden, ihm fehlt ein wenig der Glanz. Lucia Cervoni präsentiert mühelos und überzeugend die Gefühlswallungen, die Charlotte erleben und durchleiden muss, von der innigen, glühenden Liebeserwartung bis zur Resignation in das ihr zugedachte Schicksal überzeugt sie mit einem warmen Mezzosopran. Paul Sketris, Bass, als Amtmann, und Kartal Karagedik, Bariton, in der Rolle des Albert ergänzen den musikalischen Kern der Oper mit ihren dunklen Stimmen.  Auch die kleineren Partien bringen den romantischen Ausdruck dieser Oper bestens zu Geltung.

Sutcliffe verzichtet in seiner Inszenierung ohne Verlust auf jegliche Modernisierung. Jules Massenets Oper Werther verdient es, neben den bekannteren italienischen romantischen Opern häufiger auf die Bühne gebracht zu werden. Zwar erscheinen das Weltbild des Biedermeier und vor allem das Frauenbild jener Zeit deutlich angestaubt, aber Libretto und Musik bilden eine authentische Einheit, die bis heute ihren Reiz behalten hat. Schade, dass dies in Magdeburg viel zu wenig Zuschauer mit anhaltendem Beifall belohnen.

Horst Dichanz







Fotos: Andreas Lander