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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
11. Mai 2013
(Premiere)

Theater Magdeburg


Points of Honor                      

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Spannungslose Liebesdroge

Kurz vor den großen Feierlichkeiten zu Wagners 200. Geburtstag möchte auch das Theater Magdeburg seinen Beitrag zur Würdigung des großen Komponisten leisten. Immerhin war Wagner in jungen Jahren zwei Jahre Kapellmeister in Magdeburg. Hier gab es die Uraufführung seines Frühwerkes Das Liebesverbot, ein großer Misserfolg. Und hier heiratete er Minna Planer, der Beginn einer langen und schwierigen Schicksalsgemeinschaft. Also Gründe genug, Wagner zu feiern. Und das mit Tristan und Isolde. Dieses Werk stand nun schon fast 70 Jahre nicht mehr in Magdeburg auf dem Spielplan. Entsprechend groß sind die Erwartungen und die Ankündigungen. Doch es wird ein Abend der großen Enttäuschung.

Regisseur Stephen Lawless hat angekündigt, das Werk als Kammerspiel mit der Fokussierung auf die beiden Titelfigurenzu inszenieren. Die erotische Spannung, die von der Musik ausgeht, bestimmt das Verhältnis der beiden zueinander. Und der Liebestrank ist eine Droge, die abhängig macht und wieder und wieder konsumiert werden muss, bis hin zum finalen Liebestod. Doch die Handlung lebt von der erzählerischen Spannung, und die bleibt weitestgehend auf der Strecke. Die Personenregie ist minimalistisch oder wird von den Protagonisten nur teilweise umgesetzt. Spärliche Gesten, die aber dafür sehr aufgesetzt wirken, lassen mehr Distanz als Nähe zu, mehr Kühle als Erotik. Da hilft auch nicht, dass die beiden nach Einnahme des Liebestranks am Schluss des ersten Aufzuges übereinander herfallen. Noch drastischer die Szene im zweiten Aufzug im großen Liebesduett. Tristan öffnet Isoldes Kleid, der Vorhang fällt, Brangäne singt von der Seite ihren Wachtruf, und unter großem Gepolter wird die Bühne umgebaut, Vorhang geht wieder auf, und Tristan und Isolde liegen selig beglückt nach vollzogenem Liebesakt im Bett. Nett gedacht, aber bieder und langweilig umgesetzt. Dass während des Vorspiels die Vorgeschichte des Werkes angedeutet wird mit der Szene, wo Isolde den verletzten Tristan mit dem Schwert töten will, kann man machen, bringt aber für das Verständnis des Werkes nicht viel und stört mehr die intensive Spannung des Vorspiels. Dass ihre Liebe das Produkt der Droge Liebestrank ist, der immer wieder konsumiert werden muss, um ihre Gefühlswelt aufrecht zu erhalten, ist ein durchaus interessanter Ansatz, der aber in seiner Handlungskonsequenz nicht wirklich weiter entwickelt wird.

Dass am Schluss Tristan noch nicht stirbt, er Isoldes Nahen als Fieberphantasie erlebt und erst kurz vor dem letzten Auftritt König Marke stirbt, ist mal eben am Werk vorbeiinszeniert. Man muss nur den Text genau verfolgen. Aber Werktreue ist ja heutzutage auch ein Unwort. Das Isolde zum Liebestod den Todestrank zu sich nimmt und sich im Brautkleid mit Tristan im Tode vereint – geschenkt.

Das Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann ist eine Schiffskabine, deren Grundaufbau sich durch das ganze Werk fortsetzt. Ein großes Bett, zwei Sessel, ein paar große Reisekoffer. Am Anfang gespalten, als Zeichen der räumlichen und emotionalen Trennung zwischen Tristan und Isolde, dann zusammengeführt, im zweiten Aufzug einmal seitenverkehrt gedreht und im dritten Aufzug als Tristans Krankenlager. Einfache Mittel, durchaus schlüssig, aber ohne Nachhaltigkeit. Da hätte man es auch direkt konzertant machen können. Bühnenbild und Kostüme, ebenfalls von Schlößmann, scheinen mehr in der Entstehungsgeschichte des Werkes verortet. Tristan in Marineuniform, Isolde zwischen weißem Brautkleid und langer roter Abendgarderobe: Nett anzusehen, aber auch hier ohne große Nachhaltigkeit.

Das alles hätte vielleicht noch eine dynamische Spannung gehabt, wenn die Sängerdarsteller es stimmlich und spielerisch zum Ausdruck gebracht hätten. Doch das ist die größte Enttäuschung des Abends. Roman Sadnik ist mit dem Rollendebüt in der Partie des Tristan einfach überfordert. Ihm fehlen die Strahlkraft in der Höhe, die nötige Durchschlagskraft und das notwendige Fundament. Es gelingt ihm kaum, über das Orchester zu kommen, was aber auch zu einem großen Teil dem sängerunfreundlichen Dirigat geschuldet ist. Die Stimmführung ist zu eng, und im dritten Aufzug schwinden auch die Kräfte. Seine Sehnen, sehnen Rufe sind brüchig, und am Schluss ist es fast Sprechgesang. Hasmik Papian als Isolde ist eine krasse Fehlbesetzung. Ihre Gesangstechnik ist mehr als fragwürdig. Sie stemmt die Töne von unten, setzt jeden Vokal mit einem tiefen Glottisschlag an und verhindert dadurch einen klaren Stimmfluss. Die Höhen werden quasi gebrüllt, und es tut schon manchmal in den Ohren weh, ihr zuhören zu müssen. Insgesamt ist die Stimme spröde, ohne Geschmeidigkeit und Liebreiz und wirkt einfach nur abgesungen. Dass sie dabei natürlich auch keine Textverständlichkeit hat, sei nur am Rande erwähnt. Auch spielerisch beschränkt sich ihr Repertoire auf wenige, zu einstudiert wirkende Gesten. Papian mag unbestritten im italienischen Fach große Erfolge errungen haben, aber dieses Rollendebüt sollte hoffentlich ein einmaliger Versuch im deutschen Fach gewesen sein.

Der junge Bassist Johannes Stermann gibt den König Marke mit angedeutetem Schöngesang, der allerdings von einem markanten Tremolo getrübt wird. Sein Bass hat eine gute Anlage, doch fehlt ihm für die die Ausgestaltung dieser Partie, vor allem für den langen Monolog im zweiten Aufzug, die Reife in der Stimme. Undine Dreißig gefällt in der Partie der Brangäne nur in den lyrischen Passagen. So singt sie den Wachtruf im zweiten Aufzug mit intensivem Gefühl, doch in den dramatischen Ausbrüchen fehlen ihr Durchschlags- und Ausdruckskraft. Roland Fenes Kurwenal ist ebenfalls Opfer des lauten Dirigates. Zu viel muss er brüllen, was seinem schönen Bariton nicht gut tut und in vielen Passagen einfach zu angestrengt klingt. Aus den restlichen kleinen Partien lässt einzig Andreas Früh als junger Seemann zu Beginn des Werkes mit geschmeidigem á-capella-Tenor aufhorchen.

Der Chor, einstudiert von Martin Wagner, ist solide hinter der Bühne vernehmbar. Kimbo Ishii-Eto führt die Magdeburger Philharmonie sehr ambivalent durch die Partitur. Die größten Momente sind noch die symphonischen Elemente wie Vorspiel zum ersten und dritten Aufzug. Hier entstehen phasenweise stimmungsgeladene Bilder, die aber dann genauso schnell durch wuchtiges und lautes und vor allem sängerunfreundliches Dirigat wieder zerstört werden. Wagners Qualität misst sich nicht an Lautstärke. Die Kunst ist, Stimmung und Farben zu erzeugen, die Bögen fließen zu lassen. Das gilt besonders für den Tristan mit seinen Liebes-, Todes- und Erlösungsmotiven. Doch diese Filigranarbeit findet nicht statt. Dass die Bläser, vor allem die Musiker hinter der Bühne - Hörnerschall - eklatant so daneben hauen, dass es beim Zuhören weh tut, ist für den Anspruch eines Hauses wie Magdeburg nicht akzeptabel.

Die Reaktion des Publikums passt irgendwie zu dieser misslungenen Aufführung. Die Sänger werden bejubelt, was nun gar nicht mehr nachvollziehbar ist. Dafür kassiert Ishii-Eto einige satte Buhs für sein Dirigat, und das Regieteam wird mehr oder weniger gar nicht zur Kenntnis genommen.

Neben einer großen Enttäuschung bleibt die Erkenntnis, dass Magdeburg mit dieser Inszenierung und dieser Besetzung keinen großen Beitrag zu den Feierlichkeiten zu Wagners 200. Geburtstag geleistet hat.

Andreas H. Hölscher







Fotos: Nilz Böhme