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Fakten zur Aufführung 

SWEENEY TODD
(Stephen Sondheim)
17. November 2012
(Premiere)

Theater Magdeburg


Points of Honor                      

Musik

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Jeder Mensch ist ein Abgrund

Das hätte man dem zu Beginn etwas verlottert-wüsten, aber nach seiner Rückkehr aus der Verbannung nach London weich gespülten Barbier Sweeney dann doch nicht zugetraut: Liefert er doch reichlich viel Material für Ms Lovetts beliebte Fleischpasteten, die sie in ihrer bakery unters Volk bringt – und den Stoff für eine Gaunerkomödie um Liebe, Eifersucht, Rache und mehrfachen Mord.

Kevin Tarte, in Magdeburg aus vorherigen Engagements als Musicalsänger bekannt und beliebt, kann sich auf seine Fan-Gemeinde verlassen. Sie nimmt ihm auch den lockigen Sonnyboy mit dem gruseligen Drang zu frischem Blut ab, obwohl er die finstere Seite seines schwarzen Charakters unter seinem makellos weissen Friseuroutfit verborgen hält, bis – eben das erste Blut auf den Kittel spritzt. Stimmlich bestens für die Songs ausgestattet und bühnenpräsent hält Tarte seine Vampir-Attitüde sparsam verdeckt.

Gaye MacFarlane gibt in der Rolle der Ms Lovett eine stimmlich vielseitige und erfahrene Figur, die zwischen „komischer Alten“ und verständnisvoller Ersatzmutter mit umwerfender Komik und kaum zu bremsender Spiellust agiert. Ob im tristen Arbeitslook oder als kesse, rotweiss gestreifte Marktfrau - sie hat die Szene im Blick und beherrscht sie spielerisch oder mit schlauem Kalkül.

Den vor Liebe fast blinden, oft ahnungslos-naiven Matrosen spielt Kartal Karagedik mit kraftigem, gefühlvollen Bariton, er ist einer der wenigen „Guten“ in der Umgebung des Barbiers. Martin-Jan Nijhof als Richter Turpin ergänzt seine Körpergröße durch einen voluminösen, ausdrucksstarken Bass, bis ihm durch den lange geplanten Schnitt des Barbiers die Luft ausgeht.

Obwohl in der Rollendramatik als Zielscheibe der Ambitionen des Richters eigentlich ein Angelpunkt, bleibt Teresa Sedlmairs Johanna optisch und stimmlich wenig präsent, ihrem zarten Sopran wünscht man mehr Volumen. Dagegen überrascht Michael Ernst in der kleineren Rolle des Tobias Ragg vor allem gegen Schluss der Aufführung mit einer klangvollen, weichen Stimme und ausdrucksstarkem Spiel im Duett mit MacFarlane. Die kleineren Partien wie der Büttel, die Bettlerin oder Pirelli sind ohne Ausnahme stimmlich bestens besetzt und tragen zur gelockerten Stimmung dieses Musical bei.

Besonders hervorgehoben werden muss der etwa 30-köpfige Chor, der mal das Volk gibt, dann den Markt vor Ms Lovetts bakery füllt. Vor allem in den Massenszenen überzeugt er mit choreographischer Exaktheit und stimmlicher Kraft. Musikalisch werden die Chorpartien, vor allem die Eingangsouvertüre zu einem besonders gelungenen Element dieser Inszenierung.

Duncan Hayler kommt mit drei größeren Bühnengestellen aus, mit denen er geschickt durch kleine Perspektivänderungen mal den Steuerstand eines Schiffes, die drohende Umgebung des Galgens, einen fröhlich rotweissen Markt oder die finstere Backstube in Ms Lovetts Keller zaubert, in der sie ihre unappetitlichen Fleischpasteten backt – ein letztes Mal. Den Figuren gibt Hayler weitgehend zeitgenössische Kostüme, aus denen nur das unschuldige Weiß des Barbier oder die schwarzrote Robe des Richters hervorleuchten. Ms Lovett erhält für den Markttag ein umwerfend komisches Rotweiss-Kostüm, das zwischen Puppenkleid, Gartenmarkise und Barbierspindel lustvoll changiert.

David Levi präsentiert seinem Magdeburger Publikum einen Musiksound, in dem flottes Tempo, ergreifend-erschreckende Akzente und komplizierte Harmonien die Besonderheiten der Sondheim-Musicalkomposition markieren. Levi und Regisseur Leonard Prinsloo haben mit Sweeny Todd Sondheims Musicalklassiker schwungvoll und mit lockerem Klang unterhaltsam auf die Bühne gebracht. Auch wenn dabei das „Teuflische“ dieses blutrünstigen Barbiers ein wenig unter seiner Nettigkeit verborgen bleibt und für einen „Thriller“ die Spannung nicht reicht, freut sich das Publikum und genießt den lockeren Abend mit soundsicherem Orchester und seinen Lieblingen Kevin Tarte und der besonders präsenten Gaye MacFarlane. Nicht endender Beifall, für Sängerinnen und Sänger Bravorufe: Ein entspannter Musicalabend.

Horst Dichanz

Fotos: Nilz Böhme