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Fakten zur Aufführung 

RING-SAGA
(Richard Wagner,
Bearbeitung:
Jonathan Dove/Graham Vick)
2.- 4. Dezember 2011

Grand Theatre de Luxembourg

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Nach der Premiere

Peter Rundel erzählt Franz R. Stuke, was Wagner für Andorderungen an die Musiker stellt und warum man den Ring mit einem kleinen Orchester gestalten darf (4'28).


 

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Mit Wagners Werten wuchern

Es ist ein Experiment: für Wagnerianer ohnehin, aber auch für Musiker, Sänger, Regisseur und Bühnenbildner – für das Theater allemal. Aber im Luxemburger Grand Theatre wird der Ring in neun Stunden an drei Tagen zum gefeierten Publikums-Erfolg.

18 Musiker – je Gruppe ein Instrument – intonieren unter der umsichtig stimulierenden Leitung von Peter Rundel einen transparenten Wagner-Klang der erfrischend-neuen Art: Fehlende Passagen – vor allem die Erzählungen Mimes, Siegmunds und Siegfrieds, Wotans Rätselfragen, aber auch die Nornen-Fragen – sind mit den akribisch erarbeiteten Übergängen keine Brüche im Fluss der „unendlichen Melodie“. Allerdings hat das so spielfreudig-aufmerksame Ensemble bisweilen Probleme, die „tiny little motives“, Leonard Bernstein es einmal genannt hat, handlungsbestimmend zu akzentuieren – und die Abstimmung mit den jungen Sängern gerät bisweilen zu einem unbeabsichtigten Übergewicht für die Instrumente.

Antoine Gindts Inszenierungskonzept lässt den Zuschauern der „Kammeroper“ als „Saga“ viel Freiheiten zu Assoziationen: Zum einen, eine enorm spannende Geschichte zwischenmenschlicher Konflikte zu begreifen; zum anderen, die handelnden Personen als Metaphern eines Welttheaters einzuordnen. Das Fehlen mythischer Elemente hilft dabei vor allem den mit Wagners Gedankenwelt nicht Vertrauten zu verstehen.

Die Akteure präsentieren sich auf zwei Podesten. Elise Capdenats in happy people-Kostümen, vor einer Leinwand mit Videos eines „grauen Rauschens“ – Moirees, wechselnde Linien und Flächen, durchlaufende Szenenbilder. Das entspricht aktuellen Sehgewohnheiten, rekurriert nicht belehrend auf Traditionen des poor theatre, sondern präsentiert ganz selbstverständlich einen coolen Blick auf die bewegenden Dinge. Highlight das Finale: Ein schwarzes Laken wird über die Toten gezogen, darunter entsteht eine eminent lebendige Welle, wie man sie von Ariane Mnouchkine kennt, als Hoffnungszeichen für eine – noch verdeckte – neue Welt.

Im durchgängig jungen Ensemble überzeugen mit Wagner-Stimmen: Johannes Schmidt als prononciert tönender Hagen und kämpferischer Fafner; Louise Callinan als überzeugende Erda und intensiv-argumentierende Waltraute sowie als stimmführende Flosshilde; Cecile de Boever als Brünnhilde vor allem mit grandiosem Schlussgesang. Lionel Peintre gibt einen Alberich als verzweifelten outcast; Martin Blasius verkörpert den Fasolt und den Hunding mit nachdrücklicher Präsenz; Ivan Ludlows Wotan ist ein resignierter „Herr“; Nora Petrocenkos Fricka und Helmwige können Emotionen vermitteln; Jeff Martins Siegfried entspricht mit seinem hellen, nicht heldischen Tenor akkurat dem Konzept der offenenen Inszenierung; was sowohl für Marc Haffner als Siegmund und Jihye Son als Sieglinde und Wellgunde als auch für Alexander Knop als Gunther sowie Donner und Donatienne Michel-Dansac als Gutrune und Freia gilt. Mit Fabrice Dalis ist ein flexibler Loge und Mime zu erleben, mit Melody Louledjian gibt als hoffnungsvolle junge Sängerin sowohl die Woglinde als auch den Waldvogel.

Im repräsentativen Luxemburger Grand Theatre versammelt sich ein heterogenes Publikum – Alte und (viele) Junge, Wagner-Kenner und –Novizen, Abgeklärte und Neugierige: Am Ende vereint im enthusiastischen Applaus!

Luxemburg ist der siebte Spielort der akribisch vorbereiteten Produktion der Casa del Musica im portugiesischen Porto nach Porto, Straßburg, Paris, hier in der Cité de la Musique, Saint-Quentin-En-Yvelines, Nimes und Caen, es folgt noch die Oper Reims.

Grundlage der spektakulären Kurzfassung des Ring für ein Wochenende - Freitag Rheingold, Sonnabend Walküre und Siegfried, Sonntag Götterdämmerung - ist die Version des Komponisten Jonathan Dove (Flight) und des Regisseurs James Vick (Glyndebourne) von 1990 für die englische Birmingham Touring Opera. In Luxemburg gibt es eine Synopsis – mit einer nachvollziehbaren Inhaltsbeschreibung in Deutsch und Englisch sowie den angemerkten Kürzungen: Beispielhaft - wie die gut lesbaren Übertitel in Französisch und Deutsch.

Das Grand Theatre kooperiert mit dem Richard-Wagner-Verband Trier/Luxemburg: Verbandspräsident Heinz Asshoff gibt eine instruktive Einführung - mit dem ehemaligen Trierer GMD Istvan Denes am Piano - und erklärt den Stellenwert der so ungewöhnlichen „Kurzfassung“ aus der Sicht des „Eingeweihten“. Die Resonanz des Publikums bestätigt das offene Konzept der Einführung in ein unbekanntes komplexes Werk.

Franz R. Stuke






 
Fotos: Philippe Stirnweiss