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Fakten zur Aufführung 

DAS LAND DES LÄCHELNS
(Franz Lehár)
29. November 2012
(Premiere am 16. November 2012)

Theater Lübeck


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Exotische Romanze im Opiumrausch

Franz Lehárs Operette Das Land des Lächelns, die mit Dein ist mein ganzes Herz eine der bekanntesten Melodien aller Zeiten enthält, ist eigentlich das Remake eines mäßig erfolgreichen Werkes des Komponisten von 1923, der Gelben Jacke. Der Librettist Viktor Léon hat die Idee zu dem Stoff bereits 1916 ins Auge gefasst – als Inspiration dient ihm wohl ein junger Attaché der chinesischen Botschaft in Wien, der sowohl Léons Gattin als auch seiner Tochter Lizzy den Hof gemacht hatte. Diese exotische wie erotische Geschichte regt die Phantasie des Autors an. Viktor Léon, der mit Franz Lehár bereits bei der Lustigen Witwe zusammengearbeitet hatte, kann den Komponisten von dem Sujet überzeugen. Doch erst als Lehár aus dem Stoff der Gelben Jacke mit den Librettisten Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda 1929 Das Land des Lächelns entwickelt hat, ist ein Welterfolg geboren.

Verführerisch lockt das Exotische, besonders wenn Liebe sich dazu gesellt. Die verwöhnte und emanzipierte Lisa hat viele Verehrer, doch verliebt sie sich in den chinesischen Gesandten, Prinz Sou-Chong. Sein Charisma, seine fremde Ausstrahlung und seine Kultur entfachen in ihr große Leidenschaften, die nicht unerwidert bleiben. Als Sou-Chong, zum Ministerpräsidenten befördert, in sein Land zurückkehren muss, folgt Lisa ihm ins Land des Lächelns. Doch hier kommt es schnell zu Konflikten mit der Tradition, die eine moderne Europäerin nicht akzeptiert.

Regisseur Jürgen Pöckel lässt die Operette zu Beginn des 20. Jahrhundertes spielen. Die K.u.K.-Monarchie geht Ihrem Ende entgegen, und den veralteten Konventionen der feinen Wiener Gesellschaft versucht Lisa durch den Flirt mit der Exotik zu entkommen. Sie atmet den Rauch von Opium, fällt in tiefe Ohnmacht und das weitere Geschehen der Handlung ist ein romantischer Alptraum. Zum Schluss, als Lisa wieder erwacht, ist das Bild wie zu Beginn, als der Prinz zum ersten Mal auftritt. Es war nur ein Traum, eine exotische Romanze im Opiumrausch. Ein Kunstgriff, der es erlaubt, die Gefühle und Konflikte unterschiedlicher Kulturen und Gesellschaften auszukosten, ohne ins Kitschige oder Banale abzugleiten. Mit der farbenprächtigen Ausstattung von Andrea Höxel, dem klugen Lichtdesign von Harald Hentschel und der modernen Choreographie von Thomas Volmer ist diese Inszenierung voller Opulenz und Schönheit, doch werden die persönlichen Konflikte der Protagonisten nur an der Oberfläche beleuchtet, es fehlt der große Tiefgang.

Auch musikalisch und sängerisch ist dieser Abend zwiespältig. Daniel Szeili ist der Rolle des Prinzen Sou-Chong nicht gewachsen. Ausgestattet mit einem schönen baritonalen Fundament, vermag er es nicht, seiner Stimme lyrischen Glanz zu verleihen. Die Höhen sind brüchig und offenbaren Intonationsschwächen. Seinem Dein ist mein ganzes Herz, das Lehár einst für Richard Tauber geschrieben hat, fehlt jeglicher tenoraler Schmelz, und man muss schon fast Mitleid haben für diese Darbietung. Auch Anne Ellersiek in der Rolle der Lisa kann den Abend nicht retten. Ihre Stimmführung ist eng, die Höhen wirken gepresst, in den dramatischen Ausbrüchen überwiegt ein starkes Vibrato, das unangenehm klingt. Lehárs großes Duett Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt lässt jegliche Rührung und Innigkeit vermissen. So kann und darf man Lehár nicht singen, sondern er muss wie ein Puccini intensiv und mit inniger Leidenschaft und großem Gefühl interpretiert werden.

Da lässt Andrea Stadel als Mi mit schönem und klarem Sopran aufhorchen. Patrick Busert als Gustl gibt den nonchalanten Offizierskavalier im klassischen Sinne. Steffen Kubach in der Doppelrolle als Graf Lichtenfels und als Onkel Tschang überzeugt durch den Wechsel der Charaktere.

Josef Feigl hat den Chor solide eingestimmt, und die Tänzer und Tänzerinnen haben sich für ihre Darbietung einen Sonderapplaus verdient. Ludwig Pflanz leitet das Orchester engagiert und mit großer Dynamik. Doch in den lyrischen, anrührenden Momenten der Partitur fehlt der silberne Klang Lehárs. Die Phrasierungen werden nicht ausreichend differenziert, so dass der emotionale Funke in letzter Konsequenz nicht vom Orchestergraben auf das Ensemble überspringt.

So bleibt am Schluss ein fader Nachgeschmack. Von der Inszenierung, von den Bildern her hätte es ein überzeugender Abend werden können. Doch Operette kann man nicht so einfach mal singen und musizieren, und schon gar nicht einen Meister wie Franz Lehár. Hier muss man auch die Besetzungspolitik des Hauses kritisch hinterfragen.

Das Publikum hat es anders gesehen. Es gibt freudigen Applaus, besonders für Daniel Szeili. Bemerkenswert, wie leicht man ein Publikum heute zufrieden stellen kann.

Andreas H. Hölscher





Fotos: Lutz Roeßler