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Fakten zur Aufführung 

WALKÜRE
(Richard Wagner)
21. Oktober 2011
(Premiere)

Theater im Pfalzbau, Ludwigshafen


Points of Honor                      

Musik

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Vom Leiden und Hoffen

Schon bemerkenswert, was das Theater im Pfalzbau Ludwigshafen stemmt. Denn ohne eigenes Solistenensemble sich an Wagners Ring des Nibelungen zu wagen, würde an Tollkühnheit oder Vermessenheit grenzen, wenn nicht ein so erfahrener Theatermann wie Hansgünther Heyme an die aufwändige, Psyche und Physis gleichermaßen fordernde Sache heranginge. Nun, es gibt immerhin einen Kooperationspartner, die Oper Halle. Deren musikalischer Chef, Karl-Heinz Steffens, ist gleichzeitig Chefdirigent der in Ludwigshafen angesiedelten Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Dieses Konzertorchester hat sich bemerkenswert gut in Wagners Musik eingelebt.

Wenn dennoch ein kleines Fragezeichen bleibt, dann deshalb, weil Karl-Heinz Steffens zwar eine klare Klangsprache erzeugte und sehr wohl die wechselnden Stimmungen der Figuren und ihre orchestrale Grundierung nachzeichnet. Doch in einigen Passagen gerät der Gehalt etwas flacher als gewünscht, etwa im Walkürenritt, dem ein wenig der Biss fehlt. Vielleicht nimmt hier der Dirigent Rücksicht auf die gemessene Choreographie, die Heyme seinen acht Walküren auferlegt. Die reiten keine wilden Rösser, sondern tragen wie ein antiker Chor Urnen-Schachteln mit den Gebeinen der auf der Walstatt abgebliebenen Helden zur Walhall-Wand.

Was findet Heyme in der Walküre? Er, der auch Bühne und Kostüme entwickelt hat, nutzt   Bilder von heute, um Handlung plausibel zu machen. Denn die Götterwelt ist erst einmal das Gegenteil von Plausibilität. Doch für Heyme sind Götter oder Halbgötter „stets und oft sehr wirksame Vertreter menschlicher Hoffnungen, Ängste, Brutalitäten“. Seine Zugangsebene wird also eine diesseitige sein, in der sich die Menschenwelt spiegelt und bricht. Die großen Menschheitsfragen  um Macht, Liebe und Tod sind konkret in jedem Einzelnen selbst erfahrbar. Heyme hat versucht, Gesellschaftsschichten in seine Inszenierung einzubinden, denen der Zugang zu Wagner fern liegt.

Der „Vorhang der Hoffnung“, schon im Rheingold zu sehen, artikuliert Wünsche und Ängste Jugendlicher und kontrastiert jetzt in der Walküre mit der „Wand der Verzweiflung“, die aus einem Graffiti-Wettbewerb hervorging und den Hintergrund der Hunding-Hütte im ersten Aufzug bildet. Innerhalb kontrastierender  Bilder bewegen sich die Figuren. Wotans Fluchtpunkt in einer Bar mit Spielautomaten, wo ihn Fricka aufspürt und heftig zur Rede stellt. Siegmund und Sieglinde landen auf der Flucht vor Hunding in einer heruntergekommenen Flughafenhalle. Den dritten Aufzug bestimmt eine Art Laufsteg für die Walküren, die in eitler Verzweiflung die Reste toter Krieger in der Wand des Todes deponieren. Plötzlich wird dinglich spürbar, wie Menschen leiden und hoffen, was sie im Innersten bewegt und umtreibt.

Das Gesangsensemble Gesungen agiert – mit kleinen Abstrichen - großartig. Thomas Mohr singt die Siegmund-Partie mit Kraft und Ausdauer, mit heldischem Timbre und dennoch vielen Nuancen; die ihm zugetane und in Liebe entflammte Sieglinde findet in Carola Höhn eine Sopranistin, die das Dramatische wunderschön in eine lyrisch grundierte Gesangslinie einbindet. Der Wotan von Gérard Kim lebt aus sauberer Bariton-Führung, könnte indes in einigen Passagen mehr Durchschlagskraft entwickeln. Lisa Livingston zeigt eine hochdramatische Brünnhilde, Julia Feylenbogen eine herrisch auftrumpfende Fricka, vor deren unbarmherzigem Beharren auf  Moral und Gesetz Wotan kleinlaut kapitulieren muss. Christoph Stegemann schenkt dem Hunding Charakter und Profil, und als Walküren einen sich Ines Lex, Anke Berndt, Uta Christine Georg, Eva-Maria Wurlitzer, Susanne Gasch, Susanne Wild, Sandra Maxheimer und Melanie Hirsch zu genau abgestimmter Interaktion.

Das Publikum feiert seine Helden; die Reaktion spricht für die große Identifikation der Bürger Ludwigshafens mit diesem Projekt.

Eckhard Britsch






 
Fotos: Gerhard Kiermeyer