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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
30. November 2012
(Premiere)

Pfalzbau Ludwigshafen


Points of Honor                      

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Alle laden Schuld auf sich

Wagner für alle? Ein ambitioniertes Konzept hat sich Hansgünther Heyme für seine Sicht von Richard Wagners Ring des Nibelungen vorgenommen, der jetzt im Pfalzbau Ludwigshafen mit der Götterdämmerung sein Finale erlebt hat. Heyme vertritt als Piscator-Schüler eine gesellschaftspolitische Theatervision, mit der Utopien von einem lebenswerteren Leben diskutiert werden können und Stellung bezogen wird. Durch eine Vielzahl von Begleitveranstaltungen und Workshops hat Heyme die Tetralogie und Wagner selbst aus der luftigen Höhe der Anbetung durch seine Jünger herabgeholt und zu erden versucht. Zum Beispiel, indem Jugendliche, gerade auch aus Randgruppen, ihre Ängste und Erwartungen niederschreiben, visualisieren und zu einem Vorhang der Hoffnung fügen können, der als Teil der Bühne von Heyme mitinszeniert worden ist.

Heyme hat sich an Wagner gerieben, an dessen großem Welttheater, mythologischen Gehalt und kleinlichem Eifersuchtsgehabe der Figuren. Das schlägt sich in seiner Bühnen-Schau nieder, gerade jetzt in der Götterdämmerung, wenn aus einer Entzauberung der Götter ein Leerraum entstünde, der mit neuer Identifikation zu füllen wäre. Hier hangelt sich Heyme dann doch eher an realer Handlung entlang, denn immerhin wird ein fehlgeleiteter Bösewicht namens Hagen den strahlenden Helden Siegfried, per Zaubertrank verblendet und seiner Liebe zu Brünnhilde ledig, hinterrücks meucheln. Und alle laden Schuld auf sich, wenn sie aus eigennützigen Motiven handeln. Goldgier und Liebeswahn, Machtansprüche und monomane Fixierungen führen zur Katastrophe, die alle betrifft.

Hansgünther Heyme, der Bühne und Kostüme verantwortet, hat mit diesem Ring zwar nicht die Wagner-Welt neu definiert, aber anstatt einen mehr als „nur“ interessanten Gegenentwurf zu stilisieren, eher ästhetisch grundierte Vorstellungen geliefert. Was allerdings bleibt von der Einbindung der Jugendlichen und jener Bürger, die nicht unbedingt Kultur als Lebensmittel betrachten, steht in Frage. Aber größte Achtung gilt Heyme für seinen idealistischen Ansatz.

Musikalisch ist die Götterdämmerung deshalb überzeugender als vor kurzem Siegfried, weil Karl-Heinz Steffens am Pult des Philharmonischen Staatsorchester Rheinland-Pfalz jetzt doch einen schwingenderen Raumklang schafft, dafür aber kleinere Konzentrationsschwächen des Klangkörpers in Kauf nehmen muss.

Andreas Schager kann sich als Siegfried auf sein strahlendes Forte und eine bewundernswerte Stabilität gewissermaßen bis zum letzten Atemzug verlassen. Wenn noch mehr Nuancierungen hinzukommen, stehen ihm die Wagner-Bühnen offen, zumal einige Helden des Fachs langsam in die Jahre kommen. Lisa Livingston, gerade von einer Grippe genesen, hat als Brünnhilde große Momente, die wiederum durch übersteuertes Vibrato beeinträchtigt werden. Ihr Aufeinandertreffen mit Waltraute hat dramatische Wucht, obwohl Gundula Hintz in der Stimmführung leicht schwächelt. Christoph Stegemann argumentiert als Hagen aus schöner Bassrundung heraus, gelegentlich fehlt ein wenig die Durchschlagskraft. Gerd Vogel ist als Alberich und Gunther besetzt, das ist genau eine Partie zuviel, denn als Gunther bricht seine gut fundierte Baritonstimme ein. Anke Berndt überzeugt als Gutrune, und die Rheintöchter Ines Lex, Melanie Hirsch und Sandra Maxheimer können sich ebenso hören lassen wie die Nornen Ceri Williams, Romelia Lichtenstein und nochmals Gundula Hintz. Der von Jens Petereit einstudierte Chor der Oper Halle ist nicht immer ganz kongruent mit dem Graben, oder auch umgekehrt.

Fazit: Projekt gelungen, Publikum überzeugt, und in der Nachbarstadt Mannheim auf der anderen Rheinseite schürft gerade Achim Freyer nach dem Ring-Geschmeide.

Eckhard Britsch





Fotos: Gert Kiermeyer