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Fakten zur Aufführung 

WEST SIDE STORY
(Leonard Bernstein)
23. Januar 2014
(Einmaliges Gastspiel)

Forum Leverkusen


Points of Honor                      

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Das Töten geht weiter

Im Forum Leverkusen gibt es die West Side Story vom Landestheater Detmold in einer Inszenierung des Intendanten selbst. Die Folge: Das Haus ist ausverkauft. Erfreulicherweise gibt es unter den Gästen eine Vielzahl Jugendlicher; nicht nur aus der Städtischen Musikschule, sondern auch vom Lise-Meitner-Gymnasium sind gleich ganze Klassen angereist, um sich die Fehde zweier Straßengangs aus dem New York der 1960-er Jahre anzuschauen.

Wer hier auf Zeitkolorit hoffte, wird allerdings enttäuscht. Kay Metzger legt seine Inszenierung eher zeitlos, wenn nicht gegenwärtig an. Und beweist damit, dass sich das Leonard-Bernstein-Musical nicht überlebt hat, sondern aktueller denn je ist. Die Sinnlosigkeit von Gewalt und Fremdenhass ist die Botschaft, die es gilt, mit viel Personalaufwand auf die Bühne zu bringen. Metzger erzählt die Geschichte weitgehend konventionell. Der Einsatz jugendlicher Darsteller sorgt dabei schon für eine ganz eigene Dynamik. Petra Mollérus schafft eine detailfreudige, unglaublich vielseitige Bühne, indem sie Kastenelemente von den Akteuren selbst immer wieder neu anordnen lässt. Da macht es Spaß, die „Umbaupausen“ live zu erleben und die immer neuen Kombinationen zu entdecken. Ebenso vielfältig sind die Kostüme, die Mollérus geschaffen hat. Mit viel Fantasie werden die Gangs, aber auch die einzelnen Charaktere herausgearbeitet. Eva Nadia Krischok leuchtet die Bühne mit vielen schönen und passenden, unaufwändigen Effekten aus. Weniger erfreulich ist die Arbeit, die Choreograf Richard Lowe abliefert. Wenn Kampfszenen, dann bitte auch glaubhaft. Immerhin gibt es hier noch Messerstechereien, ohne dass ein Tropfen Blut fließt. Und wenn Corps-Tanzszenen, die synchron angelegt sind, darf der Zuschauer auch einen synchronen Auftritt erwarten. Dass es trotzdem funktioniert, liegt wohl am ehesten an der nach wie vor mitreißenden Musik Bernsteins.

Vom Flair der Musik lassen sich auch die Akteure auf der Bühne gefangen nehmen und handeln mit viel Spiel- und Bewegungsfreude. Bravourös schlagen sich die Berufsanfänger, völlig daneben allerdings die Interpretation des Polizisten Schrank von Henry Klinder. Weder aus der Situation noch aus der Handlung erschließt sich, warum Schrank sich dermaßen grob, ordinär und laut aufführen muss. Gut, dass es Maria gibt. Katharina Ajyba ist die einzige Opernsängerin an diesem Abend, und sie gibt Maria so, dass Leonard Bernstein selbst seine Freude an ihr gehabt hätte. Grazil, romantisch, verträumt, fassungslos, verzeihend zeigt Ajyba alle nur erdenklichen Fassetten und bringt einen tadellosen Gesang zu Gehör. Zum Nachteil von Patrick Schenk, der Tony sehr authentisch auf die Bühne bringt, aber im Gesang deutliche Abstriche machen muss. Aber Tony überlebt die Story ja ohnehin nicht. Der Schluss gelingt Metzger und seinem Team ausgezeichnet. Hier stimmt alles, bis in den Mut zur Langsamkeit hinein. Sehr eindrucksvoll.

Beeindruckend auch die Leistung des Musikalischen Leiters, Mathias Mönius. In der durchaus nicht ganz einfachen Akustik des Saals gelingt ihm wunderbar, das Symphonische Orchester des Landestheaters Detmold in die Balance mit den Sängern zu bringen. Das geht zwar etwas zu Lasten der Brillanz Bernsteinscher Musik, ist aber die gelungenere und auch mutigere Lösung.

So gelingt insgesamt ein schöner Abend, der sicher auch die Jugendlichen zu weiteren Besuchen ermuntern dürfte. Starker Applaus mit vereinzelten stehenden Ovationen rundet eine Veranstaltung ab, bei der einem noch einmal deutlich die abartige politische und Mediendiskussion über eine „drohende“ Zuwanderung vor Augen geführt wird, die derzeit weitab jeder Menschenwürde und Fremdenfreundlichkeit stattfindet.

Michael S. Zerban







Fotos: Björn Klein