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Fakten zur Aufführung 

MY FAIR LADY
(Frederick Loewe)
3. Dezember 2013
(Einmaliges Gastspiel)

Forum Leverkusen


Points of Honor                      

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Unverwüstliches aus der Nachbarstadt

Wäre det nich wundascheen: An einem Dienstagabend mal ganz kurz alle Sorgen des Alltags hinter sich lassen, sich in ein warmes Theater setzen, während die Temperaturen außerhalb dem Nullpunkt entgegeneilen, und in einem Musical die Musik genießen, von der nahezu jede Nummer ein Welthit wurde? Die Leverkusener dürfen sich diesen Luxus gönnen. Sie haben die Kammeroper Köln ins Forum eingeladen, um My Fair Lady auf die Bühne zu bringen. Mit ‘nem kleenen Stückchen Glück bekommt man gar einen Sitzplatz, der nicht von permanent quasselnden Mitmenschen umgeben ist. Oder an diesem Abend noch glücklicher, wer nicht neben älteren Herrschaften zu sitzen kommt, die begeistert die Liedtexte mitmurmeln. Aber wenn Es grünt so grün und Ich hätt‘ getanzt heut‘ Nacht anklingen, ist alles vergessen, selbst das permanente kollektive Husten im weiten, fast ausverkauften Rund.

Eigentlich steht der Kammeroper Köln derzeit gar nicht der Sinn nach guter Laune. Die Spielstätte in Köln-Rodenkirchen wird im kommenden Jahr der Abrissbirne weichen müssen, und die Stadt Köln fühlt sich nicht im Mindesten veranlasst, das einzige Musiktheater der so genannten Freien Szene in der Kommune bei der Suche nach Alternativen zu unterstützen, geschweige denn, eine neue Spielstätte anzubieten. Da gewinnt das Grußwort von Jürgen Roters, Oberbürgermeister der Stadt Köln, im offenbar älteren Programmheft, eine ganz neue Note: „Köln ist Vielfalt. Und diese Vielfalt spiegelt sich Tag für Tag im kulturellen Leben der Stadt wider. Freie und private Musiktheater sind ein wichtiger Bestandteil unseres kulturellen Angebotes und einfach unverzichtbar.“ Dabei ist die Kammeroper Köln seit nahezu 18 Jahren als kultureller Botschafter der Stadt im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs und erfolgreich. Manchmal eben auch mal schnell in der Nachbarstadt Leverkusen.

In der Inszenierung von Lajos Wenzel geht es nicht darum, My Fair Lady neu zu erfinden, sondern mit den Mitteln der Kammeroper Köln den Zauber des Musicals erneut zum Leben zu erwecken. Ulrich Wolff hat ein Bühnenbild aus variablen Stellwänden und sparsamen, aber aussagekräftigen Accessoires geschaffen. Da werden von den Darstellern schnell mal ein Heizofen und eine Obstkiste auf die Bühne gestellt, um einen Großmarkt abzubilden, oder drei, vier Möbel versinnbildlichen die Wohnung Higgins‘. Bei den Kostümen greift Martina Kanehl auf den Stil der vorletzten Jahrhundertwende zurück. Markus Friele leuchtet die Szenerie adäquat aus, so dass ein authentisches Bild entsteht. Beim Ton gelingt es Friele leider nicht, den gesamten Saal gleichmäßig mit einer ausreichenden Qualität zu versorgen. So klingen die Darsteller an manchen Stellen wie aus einem Pappkarton.

Schade, denn Sänger und Schauspieler liefern eine ordentliche Leistung ab. Gallionsfigur ist erwartungsgemäß Maria Mucha, die Eliza Doolittle verkörpert. Sie wirkt manchmal verhalten, bezaubert aber mit einer wunderbaren Musical-Stimme, die immer wieder die Seele trifft. Volker Hein schafft einen Higgins, der hie und da als Kunstfigur wirkt, auch schon mal mit dem Text hapert, aber insgesamt überzeugt. Als Oberst Pickering zeigt sich zauberhaft Bernhard Dübe. Burschikos und herrlich berlinerisch kommt Jens Rainer Kalkmann als Alfred P. Doolittle daher. Sean Breen spielt und singt einen emotionalen, aber dankenswerterweise nicht übertrieben exaltierten Freddy Eynsford-Hill. Im Spiel um die Sprache übernimmt Tekla Gros als Ms Pearce die Rolle der Lisplerin. Auch Ulrike Jöris stolpert hin und wieder über den spitzen Stein, wenn sie eine herrlich entspannte Ms Higgins gibt. Julius Williams, Benjamin Drnec und Benedict Offermanns bieten neben ihrem tänzerischen Können großartige A-Cappella-Auftritte. In der Choreografie von Robina Steyer überwiegen Witz und Leichtigkeit. Dass hier so manche Tanzeinlage auch mal an die kölschen Funkemariechen und ihre Offiziere erinnert, mag sicher Zufall sein, beeinträchtigt allerdings auch kaum den Genuss.

Den gibt es als überzeugendes Pfund von Dirigentin Inga Hilsberg mit den Kölner Symphonikern. Hier stimmt einfach alles. Hilsberg gelingt es, den Sound von My Fair Lady im Kern zu treffen. Sängerinnen und Sänger bekommen auf den Punkt die nötige Unterstützung. Und wenn es an die Evergreens geht, möchte man sich ärgern, ruhig auf dem Sitz bleiben zu müssen.

Das Publikum dankt offenherzig und applaudierfreudig, ohne der Vorstellung wirklich gerecht zu werden. Es wird viel geklatscht an diesem Abend; aber bitte im Sitzen. Das mag auch am Alter der BesucherInnen liegen. Jenseits der 70 werden Rollator und Gehstöcke wichtiger als Swing im Stehen. Dabei ist dieses Musical ein idealer Einstieg für die Jugend. Im Zeitalter von cu, lol und glg könnte die Verwandlung vom Blumenmädchen zur Lady für Teens und Twens durchaus einen Blick in die Kraft der Sprache eröffnen, der über den Tag hinausreicht. Auf dem Heimweg mag einem der Gassenhauer Ich hätt‘ getanzt heut‘ Nacht nicht aus dem Kopf gehen. Mehr geht doch nicht.

Michael S. Zerban







Fotos: Rolf Franke