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Fakten zur Aufführung 

LIMÓN DANCE COMPANY
(Carla Maxwell, José Limón,
Rodrigo Pederneiras)
18. Februar 2014
(Gastspiel)

Forum Leverkusen


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Virtuose Spiele

Obwohl bereits 1972 gestorben, wirkt der Einfluss des mexikanischen Tänzers und Choreografen José Limon auf die amerikanische und internationale Tanzszene durch den Fortbestand der vorbildlich geführten „Limón Dance Company“ in ungetrübter Frische nach. Davon konnte man sich jetzt im Rahmen eines Gastspiels der New Yorker Company im vollbesetzten Leverkusener Forum überzeugen.

Zwei Arbeiten des Gründers, der mit Martha Graham zusammen gearbeitet hat und auch Pina Bausch tief beeindrucken konnte, wurden kombiniert mit zwei Choreografien der derzeitigen Leiterin Carla Maxwell und dem brasilianischen Gast-Choreografen Rodrigo Pederneiras.

Von José Limón stammen das schwergewichtigste Werk des Abends Psalm aus dem Jahre 1967 für das gesamte zwölfköpfige Ensemble sowie als Solo-Studie Chaconne nach der Musik des berühmten Bach-Stücks für Solo-Violine. Der Körper als Ausdrucksträger bestimmt Limóns Ästhetik. Das führt, je nach Stimmung, zu einem virtuosen Spiel zwischen Schwerkraft und Schwerelosigkeit. Der Körper kann schweben wie eine Feder oder sich wie unter einer bleiernen Last mühsam fortbewegen. Das alles verbindet Limón mit einem reichen, eigenwilligen Kanon an Bewegungsmustern, die in Psalm eine geradezu rituelle Strenge annehmen und, wie auch die Musik, entfernt an Strawinskys Sacre oder Les Noces erinnern.

Zugrunde liegt dem 35-minütigen Werk die biblische Geschichte von den 36 Gerechten, um die Gott die Welt verschont. Eine labile Sicherheit, da die Existenz der 36 Gerechten nicht garantiert ist. Die Menschen ringen in Limóns Arbeit um ihre Daseinssicherung, doch immer wieder brechen einzelne aus der Gemeinschaft aus oder werden von ihr isoliert. Ein dunkles Stück von tiefem Ernst, gleichwohl von einem pulsierenden Lebenswillen getragen, wozu auch die Originalmusik von Eugene Lester und John Magnussen beiträgt. Ein Mix aus harten Rhythmen, arienhaften Elegien und liturgischen Chorsätzen, die die leere Bühne zu einer Kathedrale der Überlebenskraft wachsen lässt.

Auf engere Dimensionen reduziert, finden sich diese Qualitäten bereits in Limóns 25 Jahre älterem Solo-Tanzstück Chaconne nach der ebenso strengen wie figurativ reich ausgeschmückten Violin-Chaconne Johann Sebastian Bachs. Eine abstrakte Bewegungs-Studie, in der höchste Konzentration und spielerische Gelassenheit dialektisch gegenübergestellt und immer wieder miteinander verknüpft werden. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die Kathryn Alter in ihrem androgynen Kostüm eindrucksvoll löst.

Limóns Bewegungsvokabular griff die derzeitige Leiterin der Company, Carla Maxwell, in ihrer Etüde für fünf Tänzerinnen und Tänzer aus dem Jahre 2002 auf. Auf die Vertonung von Schuberts Gretchen-Lied Meine Ruh‘ ist hin entwickelt sie in knappen fünf Minuten ein kunstvolles Kaleidoskop von Formationen, die sowohl die innere Unruhe des Mädchens als auch freudige Erwartung ausdrücken. Die instabile Balance von Schwerelosigkeit und Körperschwere, ein Kennzeichen der Limón-Schule, präsentiert sich hier in glasklarer Reinheit.

Das jüngste Stück des Abends, Come with me aus dem Jahre 2012, stammt von Rodrigo Pederneiras zur Originalmusik von Paquito D’Rivera für großes Ensemble. Mit dem brasilianischen Choreografen und dem kubanischen Komponisten wird an die lateinamerikanischen Wurzeln Limóns erinnert. Ungewöhnlich harte Bossa-Nova- und Salsa-Rhythmen wechseln rondoartig mit elegischen, expressiven und verspielt mechanischen Klängen ab. Mit brasilianischer Lebensfreude und Emotionalität lässt Pederneiras mit der gesamten Company ein 30-minütiges Fest virtuoser Bewegungsabläufe entstehen, die vom ausdrucksvollen Pas de Deux bis zu puppenhafter Motorik reichen.

Dass die Musik im Rahmen der Europa-Tournee ausnahmslos vom Band erklingt, verschmerzt man angesichts der optischen Eindringlichkeit der Tänzerinnen und Tänzer ebenso leicht wie die meist leere, aber raffiniert ausgeleuchtete Bühne, die den Blick auf die Akteure in keinem Takt verstellt.

Begeisterter Beifall für einen Tanzabend der besonderen Art.

Pedro Obiera

 

Fotos: Doug Cody