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Fakten zur Aufführung 

DYNAMIC PERSPECTIVES
(Jon Lehrer)
18. November 2013
(Gastspiel)

Forum Leverkusen


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Auf die amerikanische Art

Es hat sich herumgesprochen: Die Jon Lehrer Dance Company gastiert in Leverkusen. Im Forum sind nur wenige Plätze leer geblieben. Das Publikum fiebert dem Auftritt entgegen. Das wird deutlich, als statt nach der ersten Choreografie bereits nach dem ersten Tanz Applaus aufbrandet. Acht Tänzerinnen und Tänzer verdeutlichen die Philosophie, die aus Jon Lehrer in den USA einen Tanzguru gemacht hat. Er hat als Choreograf und Dozent den Lehrplan für Modern Dance verfasst, der seitdem von Tanzlehrern überall in Amerika als Basis für den Unterricht benutzt wird. Anders als in Europa steht weniger der künstlerische Ausdruck als vielmehr das originär Athletische im Vordergrund. Das liegt einerseits daran, dass es in Amerika selbstverständlich ist, dass eine Universität auch über eine Tanz-Fakultät verfügt, und andererseits der Show-Charakter sehr viel ausgeprägter ist. Der künstlerische Ausdruck äußert sich in der amerikanischen Tradition viel eher darin, Originalität, Humor und Show zu bieten als künstlerische Ästhetik.

Was das in der Umsetzung bedeutet, zeigt die Compagnie an diesem Abend eindrucksvoll in Leverkusen. Rund zwei Wochen sind die Tänzerinnen und Tänzer in Deutschland unterwegs, eilen von Auftritt zu Auftritt; nachmittags Probe, abends Auftritt, Übernachtung in derselben Stadt, dann geht es am nächsten Morgen zur nächsten Performance. Ohne Ermüdungserscheinungen. Drill ist in Amerika keine Verletzung der Bürgerrechte, sondern chic. Die deutschen Besucher begeistert das. Hier ist synchron kein Fremdwort, sondern Selbstverständlichkeit. Mit einem Höchstmaß an Präzision eröffnet die Compagnie in The Alliance, einem Spektakel, das eine Gruppe von Kämpfern zeigt, die sich auf eine Schlacht vorbereitet. Schon hier zeigt sich, dass Lichtdesigner Kam Hobbs sein Handwerk versteht. Die Leistung der Tänzerinnen und Tänzer wird nicht im Halbschatten versteckt, sondern mit Farbwechseln, changierender Lichtintensität und Verfolgern betont. Natürlich ist auch die dramatische Schwärze vertreten, aber eben nur da, wo es nicht um die tänzerische Leistung geht. Ohne jede Amerika-Hörigkeit darf die Behauptung gelten, dass die europäischen Beleuchter davon noch eine Menge lernen können.

Im Pas de deux Here in this Eden zeigt sich die athletische Stärke des amerikanischen Tanzes ebenso wie die Stärke europäischen Ausdruckstanzes. In Bridge and Tunnel spielt die Compagnie ihre ganze Exzellenz aus. „Eine spielerische und bunte Hommage an eine Kindheit in Queens, New York. Eine herumtobend gute Zeit, mit der Musik von Paul Simon als Begleiter“, beschreibt Lehrer ein Stück, das in seiner Leichtigkeit und Professionalität an die Corps-Szenen in West Side Story, neu und frisch interpretiert, erinnert. Ungewöhnliche Schrittfolgen, Hebungen von wunderbarer Selbstverständlichkeit und – noch einmal – absolut synchrone Bewegungsabläufe im Ensemble, wo gewollt, faszinieren mehr als der starke Ausdruck. Und so gestaltet auch Cindy Darling die Kostüme: plakativ und thematisch passend.

Mit Murmur, The Way Within und Loose Canon wiederholen sich viele Abläufe, ohne den Show-Charakter zu verlieren. Die Verabschiedung zieht sich professionell-amerikanisch über mehrere kurze Tanzeinlagen hin, in deren Verlauf auch – überraschenderweise – Jon Lehrer auftritt; ein letzter, gelungener Höhepunkt , der das Publikum aus den Sitzen reißt und zu stehenden Ovationen veranlasst. Ein wunderbarer Abend in Leverkusen.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Jon Lehrer Dance Company