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Fakten zur Aufführung 

COSÌ FAN TUTTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
22. Mai 2013
(Einmaliges Gastspiel)

Forum Leverkusen


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Perlen vor die alten Leute

Zugegeben, nicht jeder hat Lust auf drei Stunden Mozart am Mittwochabend, wenn er oder sie am nächsten Morgen um sieben Uhr wieder am Arbeitsplatz erscheinen muss. Selbst, wenn eine Così auf dem Programmzettel des Leverkusener Forums steht. Dass aber jüngere Opernliebhaber der Veranstaltung mit solcher Konsequenz fernbleiben, ist schon ungewöhnlich und dem Abend absolut nicht angemessen. Völlig fehl am Platz ist freilich die Respektlosigkeit, mit der einige alte Frauen sich lautstark in Musik und Gesang hinein unterhalten. Wie alt muss man denn werden, um es am Respekt dermaßen fehlen zu lassen? Gar nicht zu reden von der Frau, die zu Beginn der Aufführung die Bonbon-Tüte aufreißt und sie, den Geräuschen zufolge, auch bis zum Schlussapplaus leert. Dabei sind die Bonbons selbstverständlich noch einmal einzeln verpackt. Die Art, wie die Leverkusener mit ihren Gästen umgehen, stimmt schon nachdenklich.

Dabei ist das Gastspiel des Pfalztheaters durchaus wert, mit Anstand betrachtet zu werden. Regisseur Andreas Bronkalla hat eine durchweg konventionelle, aber schlüssige Così auf die Bühne gebracht, die Harald Zidek in wunderbare Lichtwechsel setzt. Die Bühne selbst ist eher spartanisch-einfach angelegt als runde Scheibe mit einer kleinen Drehbühne in der Mitte, nach hinten mit einem Vorhang abgeschlossen, der, in verschiedene Höhen gezogen, verschiedene Motive bietet. Auf der Bühne selbst ein Schrank, wechselweise Stühle, Bänke, Displays, die einen Garten andeuten, oder auch ein Spiegel im Goldrahmen. Hier gibt es wenig Spektakuläres, ebenso wie bei den Kostümen, die ebenfalls Ursula Beutler verantwortet. Die wechselnden Verkleidungen bieten im doppelten Wortsinn Stoff, in einer Mode-Design-Runde diskutiert zu werden, setzen sich aber nicht deutlich genug voneinander ab, um die Verwicklungen wirklich deutlich zu machen und zu trennen. Auch hier: Alles solide, aber das war’s dann auch.

Ganz und gar nicht einfallsreich zeigt sich Bronkalla in der Personenführung. Zwar ist immer wieder Bewegung im Spiel, in den Gesangsszenen läuft es aber stets auf dasselbe hinaus. Sechs Sänger wenden sich dem Publikum zu und singen. Das ist bei einer dreistündigen Aufführung ermüdend. Da braucht es schon gute Stimmen, um das Publikum zu begeistern. In der ersten Hälfte gelingt das nur bedingt. Sängerinnen und Sänger klingen, als sängen sie auf gebremstem Schaum. Das ändert sich nach der Pause radikal. Den Knoten löst Daniel Böhm, wenn er als Guglielmo die Frauenwelt beschimpft. Dazu verlässt er die Bühne und wendet sich den Damen im Publikum der ersten beiden Reihen zu. Eine an sich heikle Angelegenheit, die er aber mit viel Charme und Überzeugungskraft löst. Was sonst gerne aufgesetzt wirkt, funktioniert mit Donne mie, la fate a tanti wunderbar. Nach seinem Abgang trumpfen die anderen fünf auf. Adelheid Fink stellt eine in erster Linie gefühlsbetonte Fiordiligi dar, gefällt mit schöner Stimme, aber wenig Verständlichkeit. Um mehr Deutlichkeit bemüht, präsentiert Melanie Lang eine grazile, spielfreudige Dorabella. Von ihr möchte man gern mehr hören und sehen. In der Rolle der Despina bemüht sich Arlette Meißner zunächst um den rechten Stimmsitz, später darum, eine heitere, gewitzte Kammerzofe zu interpretieren. Das gelingt ordentlich. Ebenso ordentlich, wie Daniel Kim späterhin zur rechten Stimme des Ferrando findet. Auch er im zweiten Teil deutlich gelöst, läuft zu großer Form bei seiner Arie auf, um danach im Quartett wieder zu verschwinden. Don Alfonso ist als Bass-Bariton angelegt. Und Alexis Wagner ist in dem Stimmfach zu Hause. Trotzdem klingt er an diesem Abend ungleich heller – und das ist gut so. Er beherrscht perfekt das geforderte Parlando, ist gut verständlich und braucht sich bei seinen deutlich kürzeren Auftritten entsprechend weniger zurückzunehmen. Insgesamt erinnert die Aufführung an ein Fußballspiel: Vor Beginn sagt der Trainer der Mannschaft, sie solle sich ein wenig zurückhalten, um über die ganze Distanz zu kommen. In der Pause gibt er das Signal zum Angriff: „Wenn wir gewinnen wollen, müsst ihr jetzt alles geben!“

Von Anfang an überzeugt der Chor des Pfalztheaters stimmlich in seinen kurzen Auftritten in der Einstudierung von Ulrich Nolte. Bei der Spielfreude bremst er sich selbst aus, wenig motiviert auch von Bronkalla.

Das ist anders als beim Orchester des Pfalztheaters. Markus Bieringer leitet die Musiker nuanciert durch die wechselhaften Phasen Mozartscher Musik, ohne ihnen den letzten Schliff an Luzidität zu vermitteln. Mehr als drei Stunden lang aber gelingt es ihm überwiegend, die – im Leverkusener Forum eher schwierige – Balance zwischen Orchester und Bühnengeschehen herzustellen. Das ist eindrucksvoll.

Das Publikum, das nicht gerade damit beschäftigt ist, schnellstmöglich zum Ausgang zu drängen, um sich Standortvorteile beim Verlassen des Parkhauses zu verschaffen, applaudiert herzlich und lang anhaltend für eine Aufführung, die einen gelungenen Eindruck hinterlässt.

Michael S. Zerban







Fotos: Hans-Jürgen Brehm-Seufert