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Fakten zur Aufführung 

BLUE JOURNEY
(David Middendorp)
23. Oktober 2012
(Gastspiel)

Forum Leverkusen


Points of Honor                      

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Neue Sichtweisen

Moderner Tanz bricht nicht nur die Regeln des klassischen Balletts, sondern sucht auch neue Wege der Darstellung. Ein gutes Beispiel dafür ist der junge Tänzer und Choreograf David Middendorp. Der gebürtige Niederländer macht sich gerade auf, die Welt zu erobern. Dabei ist er auf einem guten Weg. Seine Kombination des Tanzes mit Computer- und Videoanimation sorgt in den Niederlanden für Begeisterungsstürme. Jetzt zeigt er im leider nicht ausverkauften Forum Leverkusen vier seiner Produktionen.

In Three Rooms geht es zunächst noch klassisch um zwei Personen, die verschiedene Phasen ihres Lebens durchlaufen und sich vom Streit dominieren lassen. Die Welt, dargestellt durch Hände seitlich eines Vorhangs, drückt und zieht. Albert Tulling schafft mit seinem Licht Flächen auf der ansonsten leeren Bühne, die Räume bilden. Miquel Fiol Duran und Johanna Nielandt begeistern mit Hingabe und Zusammenspiel zu den Musiken von Genevieve Murphy, Tom Waits und Claudio Monteverdi. Im Vergleich zum Kommenden vielleicht noch die konventionellste Produktion.

Herrlich leicht und locker geht es im nächsten Stück zu. Ein Mann, der nach dem Verlust seiner Frau seine wahre Liebe zu einem Roboter entdeckt, muss erkennen, dass es keine Treue auf dieser Welt gibt: Der Roboter brennt mit dem Staubsauger durch. Der Krümeldieb ist noch dazu ein armseliger kleiner Tischstaubsauger. Youri Jengenele tanzt hier gegen den Roboter, professionell, gefällig, mehr von der Technik als der Emotion geleitet. Aber das Stück lebt ohnehin von der Story. Erstmals setzt Middendorp hier Computeranimation und Videoprojektion ein. Die Besonderheit, die später noch perfektioniert wird, liegt darin, dass nicht irgendwo am Bühnenrand ein Video abläuft, sondern dass die Leinwand in der Mitte der Bühne positioniert und in das Spiel eingebunden wird.

Kongenial wird es in 25 minutes universe. Stell dir vor, das Universum existiert gerade mal 25 Minuten und ist dazu von zwei Tänzern erschaffen worden. Middendorp eröffnet eine neue Dimension. Plasmaförmige Computeranimationen werden auf den Boden der Bühne projiziert. Darauf bewegen sich Daniela Cruz und Dianne Steenbrink mal staunend, mal miteinander, mal selbstverliebt, in neuen Perspektiven. Mittels Doppelprojektion kann der Zuschauer das Geschehen zeitgleich auf einer Leinwand im Hintergrund verfolgen. Es ergeben sich neue Effekte, vielleicht zuvor noch nicht gesehen, obwohl man mit solchen Behauptungen sicher vorsichtig sein soll. Faszinierend ist es allemal.

Im Titelstück Blue Journey finden sich alle Tänzerinnen und Tänzer vor und hinter einer Leinwand wieder. Es geht um den Kampf einer jungen Frau, die anders ist als alle anderen und sich gegen den Strom stellt. Teils surrealistische Animationen sind fester Bestandteil der Choreografie. Zur Musik von Simeon ten Holt verschmelzen Wirklichkeit und Projektion.

Gewiss, die Kostüme von Dorine van Ijsseldijk sind eher von Funktionalität als von Einfallsreichtum geprägt. Nicht jede Figur steht. Synchron ist oftmals anders, sowohl im Ton als auch in der Bewegung. Aber wen interessiert das angesichts einer wirklich ungewöhnlichen Idee, die funktioniert? Das Publikum jedenfalls nicht. Es ist begeistert, etliche erheben sich zum Applaus. Und noch auf dem mäanderähnlichen Strom in die Tiefgarage ist nichts als Lob über das außergewöhnliche Erlebnis zu hören. David Middendorp hat seinen Geburtstag an diesem Abend gebührend gefeiert.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Robert Benschop