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Fakten zur Aufführung 

WAGNERS DING MIT DEM RING
(Thomas Zaufke)
5. November 2013
(Uraufführung am 26. Oktober 2013)

Oper Leipzig, Musikalische Komödie


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Swinging the Ring

Richard Wagner ist Leipziger – das ist spätestens seit dem Jubiläum zum 200. Geburtstag bekannt. Traugott Wagner ist ein jüngerer Cousin von Richard, 1830 in Leipzig-Lindenthal geboren. Er gründet eine Werkstatt für Tubenbau und spezialisiert sich auf Blasinstrumente für die Opern seines Cousins. Doch das Geschäft zerbricht, Traugott wandert nach Kentucky aus und gründet dort die Stadt New Bayreuth und errichtet am dortigen Green Hill das „Traugott Wagner’s Musical Theatre“ und komponiert erste Musicals wie Elsa and the Swan, The Song Contest of Nuremberg oder Senta and the Ship of Horror. 1889 erfolgt die Uraufführung von The Thing with the Ring und feiert Triumphe in den USA. 1913 stirbt Traugott Wagner an einer hochinfektiösen Ohrenkrankheit, einem doppelseitigen Tubenkatharr in New Bayreuth. Doch die Leitung des Musical Theatre bleibt in Wagners Hand, und heute ist es Traugotts Urenkel Wotan Wagner junior, genannt WW (Double-U Doble U), der die Company leitet und sich momentan auf Gastspielreise in Good Old Germany befindet.

Spätestens jetzt ist klar, Traugott Wagner, seine Company und seine Werke sind musikalische Fiktion, es hat sie nicht gegeben. Hätte da nicht die Oper Leipzig vor zwei Jahren den aberwitzigen Einfall gehabt, zum Wagner-Jubiläum ein Musical in Auftrag zu geben. Herausgekommen ist die oben erwähnte Story und eine neue Sichtweise auf Wagners Tetralogie. Für alle, die das vierteilige Gesamtkunstwerk in nur reichlich zwei Stunden erleben wollen, erzählt das Musical den Ring des Nibelungen auf witzige und unterhaltsame Weise neu: Eine durch Europa tourende amerikanische Musical-Truppe zeigt ihre Version des Rings. Die Rheintöchter erscheinen als swingende Revue-Girls, und der Chef der Truppe, Wotan Wagner junior, Urenkel eines nach Amerika ausgewanderten Cousins Richard Wagners, schlüpft in Ermangelung des Hauptdarstellers selbst in die Rolle des Wotan. Erfindungsreichtum und Witz sind gefragt, wo sonst gewaltige Bühnentechnik und ebensolche Stimmen bewegt werden. Und doch erzählen Textautor Ulrich Michael Heissig und Komponist Thomas Zaufke die Geschichte um den geheimnisvollen Nibelungenschatz bis in die kleinsten Details, vom Raub des Rheingoldes durch Alberich bis hin zum Tode Siegfrieds in der Götterdämmerung. Alle handelnden Personen des Rings kommen auch im Musical vor, nur Erda Erdmann fällt etwas aus der Rolle. Sie ist die älteste Stammabonnentin der Musikalischen Komödie der Oper Leipzig und hat vieles gesehen. Sie berät Wotan sozusagen von ihrem Stammplatz im Rang. Und im Unterschied zum großen Vorbild gibt es am Schluss ein Happy-End, Brünnhilde hat das mit der Götterdämmerung nur geträumt, und sie und Siegfried werden glücklich auf ihrem Walkürenfelsen, der aus lauter Koffern besteht.

Um den Link zur heutigen Zeit zu schalten, gibt es eine hinzuerfundene zweite Handlungsebene, die es erlaubt, die Ring-Story durch die Brille des amerikanischen Show-Business zu sehen. Entstanden ist ein spritziger und temporeicher Mix aus Musical-Comedy, Revue, Comic und Slapstick. Da erscheinen die Rheintöchter als dreifach geklonte Marylin Monroe, die Walküren als Cowgirls, die das Hojotoho verjodeln, und Wotan ist der Götterpräsident nach amerikanischem Vorbild. Gleichzeitig wird die Story durch den Chef der Company, Wotan Wagner jun. moderiert mit dem Charme eines Peter Alexander und dem Drive eines Frank Sinatra.

So ist auch der musikalische Stil des Stückes. Es gibt kein musikalisches Remake, sondern ein handwerklich solides Musical im Broadway-Stil der 1940-er bis 70-er Jahre. Doch ganz ohne Wagner geht es nicht, der Kenner hört das eine oder andere Wagnersche Leitmotiv aufblitzen wie Walhall-, Schwert- und Siegfriedmotiv. Eins ist klar: Dieses Musical ist keine billige Persiflage des Wagnerschen Ringes, dafür haben sich die Autoren mit viel Respekt vor dem großen Komponisten sehr detailgetreu an die Geschichte gewagt, was so manchem Regisseur heutzutage im echten Bayreuth gar nicht mehr in den Sinn käme.

Die Regisseurin und Choreografin Ricarda Regina Ludigkeit hat dieses Auftragswerk nun in Leipzig auf die Bühne gebracht und es gemeinsam mit dem Bühnen- und Kostümbildner Rainer Sinell auf die sehr eingeschränkten Möglichkeiten der Musikalischen Komödie zugeschnitten. Chor und Ballett sind hervorragend integriert, jeder hat da seine Rolle, und das Ensemble hat einen riesen Spaß und kann sich hier frei entfalten. Allen voran Milko Milev als Götterpräsident und moderierender Company-Chef, dem diese Doppelrolle förmlich auf den Leib geschrieben ist. Großartig im Spiel und Musical-Gesang auch Christian Alexander Müller als Siegmund/Siegfried und Julia Gámez Martin als liebreizende Brünnhilde mit klassischem Musical-Idiom ohne große Dramatik. Fabian Egli überzeugt als Hunding/Hagen, und Andreas Rainer steht im Ausdruck einem echten Mime in nichts nach. Kostadin Arguirov als lüsterner Alberich und Sabine Töpfer als Sieglinde/Gutrune seien noch erwähnt. Herrlich komisch auch Anne-Kathrin Fischer als Stage-Managerin, während Angela Mehling als Fricka stimmlich doch an ihre Grenzen kommt.

Das Orchester der Musikalischen Komödie, sonst vornehmlich mit Operette und Spieloper beschäftigt, swingt und rockt im Graben. Stefan Diederich leitet souverän durch die temporeiche Partitur. Große Momente gibt es, wenn die balladenhaften Lieder erklingen. Dann geht auch das Publikum entsprechend mit. Es ist ein gemischtes Publikum, viele junge Leute haben hier den ersten Kontakt zu einem Opernhaus und zu Wagners Ring, nur eben komprimiert und in einem modernen und frechem Outfit. Am Schluss gibt es großen Jubel und langen Beifall und Bravo-Rufe für alle Beteiligten aus dem Publikum. Der Oper Leipzig ist mit diesem Auftragswerk zum Wagner-Jubiläum etwas gelungen, was das Zeug zu einem Dauerbrenner hat. Es bleibt abzuwarten, ob auch andere Häuser sich an dieses Stück wagen werden. Und Wagner kann dieses Musical vertragen, dem Richie aus Good Old Germany hätte es gefallen, hat er doch selber gesagt: Kinder, schafft Neues!

Andreas H. Hölscher

Fotos: Tom Schulze