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Fakten zur Aufführung 

TOSCA
(Giacomo Puccini)
9. November 2013
(Premiere am 15. Oktober 2011)

Oper Leipzig


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Opernkrimi im Spielfilmformat

Kaum eine Oper ist so in der Geschichte verankert wie Giacomo Puccinis Tosca. Die Handlung spielt im Rom am 18. Juli 1800. Hier treffen Kirchenstaat und Polizeistaat aufeinander, sind schicksalhaft miteinander verbunden. Die Kunst, die Freiheit des Gedankengutes, steht im Widerspruch zum despotischen Herrschaftsdenken und kirchlicher Allmacht. Regisseur und Bühnenbildner Michiel Dijkema projiziert in das Opern-Rom von 1800 große sakrale und metaphorische Bilder. Kruzifix und Madonna als Statue und Bild stehen im Mittelpunkt der Inszenierung, die vor allem von ihren eindrucksvollen Bildern lebt.

Dijkemas Personenregie ist klassisch angelegt, und er erzeugt im Beziehungsgeflecht der drei Hauptprotagonisten eine große Spannung. Toscas flammende Leidenschaft und Eifersucht, Cavaradossis naives Freiheitsdenken sowie Scarpias Brutalität und seine Bigotterie kommen in dieser Inszenierung richtig gut zur Geltung. Raffiniert setzt der Regisseur auf die emotionale Wirkung von ausdrucksstarken Bildern. Stark der Beginn des Stückes mit etwa tausend brennenden Opferkerzen, die rückwärtig auch den Palast des Barons Scarpia illuminieren. Grandios das Te Deum am Schluss des ersten Aufzuges mit einer aus der Versenkung auffahrenden, mit dem gesamten Klerus gefüllte Riesenorgel. Hier wird dem musikalischen Verismo-Stil Puccinis ein großes und nachhaltiges Bild zugeführt. Wenn Cavaradossi im dritten Akt von einem Kommando großbeflügelter Engel erschossen wird, dann ist das erschütternd und beklemmend zugleich, auch hier wieder bildlicher Verismo. Das die Gewehre allerdings ins Publikum zielen, ist zwar effektvoll, aber für das Publikum sicher grenzwertig.

Dagegen wirken die großen Kisten, die erst als Angelottis Versteck in der Kirche, dann als Kerker bei Scarpia und schließlich als Engelsburg-Sprungturm für eine Tosca-Puppe am Ende dienen, eher wie stilistische Mittel, die die Perspektive auf den Krimi verändern. Die historisch anmutenden Kostüme von Claudia Damm wirken elegant, insbesondere die große rote Abendrobe der Tosca im zweiten Aufzug erinnert an klassische Inszenierungen für Film und Video, wie insgesamt die Inszenierung wie ein Kinofilm wirkt, der unterschiedliche Emotionen bei den Zuschauern auslöst.

Sängerisch wie musikalisch ist es ein großer Abend für die Oper Leipzig. Die Sopranistin Viktoria Yastrebova, die die Partie schon in der Premiere mit großem Erfolg gesungen hat, legt diese Partie dramatisch und theatralisch an, mit leuchtenden Höhen und einem warmen Timbre in der Mittellage. Die Phrasierungen zwischen den dramatischen Ausbrüchen und den Piano-Tönen meistert sie fließend ohne Mühe. Ihre Arie Vissi d’arte singt sie zwar mit großem Pathos, doch fehlen in dieser so wichtigen Szene die Innigkeit und die Verzweiflung. Gaston Rivero als Cavaradossi ist ein Belcanto-Tenor, wie man ihn heute nur noch selten hört. Seine schöne Stimme besticht durch ein warmes, baritonales Timbre und seine leuchtenden und durchdringenden Höhen setzen sich mühelos und ohne Kraftverlust gegen das Fortissimo im Orchester durch. Sein E lucevan le stelle singt er mit großem Gefühl. Der Bariton Nikola Mijailovic gibt den Scarpia mit viel Engagement und schöner, markanter Stimmführung, doch fehlt ihm in der Ausstrahlung noch das dämonische, brutale Element, um die bigott-perverse Aura dieser Figur zu charakterisieren.

Milcho Borovinov gibt den Angelotti mit markantem Bariton. Jürgen Kurth spielt den Mesner mit komödiantischem Witz und kraftvollem Ausdruck. Dan Karlström gibt einen verschlagenen Spoletta und Sejong Chang als Sciarrone und Frank Wernstedt als Kerkermeister fügen sich solide in das Gesamtensemble ein. Eunjeong Song singt das Hirtensolo im dritten Akt mit leichtem und hellem Sopran.

Großartig auch das Gewandhausorchester unter der musikalischen Leitung von Anthony Bramall. Es wird mit größter Leidenschaft musiziert. Bramall trägt die Sänger mit unprätentiösem Dirigat und lässt so den Klangköper aus Orchester, Chor und Sängerensemble zu einer musikalischen Einheit werden. Die Bläser intonieren sauber und präzise, insbesondere auch die Solo-Klarinette von Peter Schurrock. Es entfaltet sich so der typische melodische und gleichzeitig gewaltige Puccini-Klang, der vielleicht im Te Deum eine Spur zu laut erklingt. Der von Alessandro Zuppardo musikalisch sehr gut einstudierte Chor und der Kinderchor unter Sophie Bauer harmonieren bestens, besonders ausdrucksstark im Te Deum.

Das Publikum am Schluss ist begeistert. Es gibt großen und langanhaltenden Beifall für alle Protagonisten und Jubel für die drei Hauptakteure. Diese Inszenierung ist wie großes Kino in HD und Dolby-Surround, ein spektakulärer Opernkrimi, nur eben live!

Andreas H. Hölscher

Fotos: Andreas Birkigt