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Fakten zur Aufführung 

MOZART HÄTTE GELACHT... (SALIERI AUCH)
(Oper Leipzig)
2. Juni 2012
(Premiere)

Oper Leipzig

Points of Honor                      

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Pasticcio als gelungener Ersatz

Es herrschte etwas Ratlosigkeit an der Oper Leipzig, als am zweiten Weihnachtstag 2011 bekannt wurde, dass Chefregisseur Peter Konwitschny um Auflösung seines Vertrages zum 1. Januar dieses Jahres gebeten hatte. Damit sind die Planungen für die Premiere von Glucks Iphigenie auf Tauris am 2. Juni 2012 dahin gewesen, und es erschien zunächst unmöglich, ein neues Stück rechtzeitig auf den Spielplan zu bringen. Da hat Leipzigs Operndirektorin Franziska Severin die zündende Idee gehabt. Im Zuge der aktuellen Spardebatten sucht die Oper Leipzig nun professionellen Rat bei dem Kabarettisten Chin Meyer, der am Beispiel der wohl prominentesten Opernparodien der Musikgeschichte den Kulturbetrieb kritisch unter die Lupe nimmt. Theater lebt von der Improvisation, insbesondere wenn es darum geht, so unterschiedliche Parameter wie ständig wechselnde Produktionsbedingungen und anstrengendes Primadonnengehabe, künstlerischen Anspruch und allgemeinen Publikumsgeschmack unter einen Hut zu bringen.

Ein Blick in die Musikhistorie hilft da weiter. Bereits 1786 komponierten Wolfgang Amadeus Mozart und Antonio Salieri im Auftrag Kaiser Josephs II. jeweils einen Einakter für ein Frühlingsfest an einem Wintertage, die in einem musikalischen Wettstreit aufgeführt worden sind. Mozart ist mit dem kurzen Einakter Der Schauspieldirektor gegen Salieris ebenfalls einaktige Oper Prima la musica e poi le parole angetreten, unterlag aber an diesem Abend in der Gunst des Publikums.

Die Uraufführung beider Werke hat am 7. Februar 1786 in der Orangerie von Schloss Schönbrunn stattgefunden.

Da zanken sich die Damen Silberklang und Herz bei Mozart um die Rolle der ersten Sängerin, während sich bei Salieri Dichter und Komponist um die Vormachtstellung von Musik und Sprache in der Oper einen verschärften Schlagabtausch liefern. Dabei sind die Vorgaben ihres Auftraggebers ziemlich klar. Der wünscht sich ein Stück, das opera buffa und opera seria gleichermaßen bedient, und möchte so ganz nebenbei seine beiden Lieblingssängerinnen in den Hauptrollen sehen. Natürlich soll das Ganze ein Publikumserfolg werden, allerdings ist kein ausreichendes Budget vorhanden. Und Salieris Stück erscheint im Gewand einer klassischen Theater-Satire, zahlreiche Sitten und Unsitten des Musiktheaterbetriebs der Zeit werden aufs Korn genommen. Im Schlussquartett bietet Salieri seine ganze kompositorische Raffinesse auf und lässt die zwei rivalisierenden Sängerinnen Tonina und Donna Eleonora gleichzeitig ihre Arien proben. Diese selbstironische Persiflage auf den Opernbetrieb und den steten Kampf um die Gunst des Publikums hat die Oper Leipzig mutig aufgegriffen und kurzerhand die beiden Werke zu einem neuen Stück fusioniert und quasi als Uraufführung angeboten.

Gundula Nowack hat dieses neue Pasticcio mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Ihre Personenregie offenbart einen köstlichen musikalischen Zickenkrieg, insbesondere wenn es um die Erste Sängerin geht. Gleiches gilt für die Rivalität zwischen Dichter und Komponist – den Handlungsstrang zweier Opern zu einem derart kurzweiligen Stück zu fusionieren: Chapeau. Da sitzen alle Dialoge, die Reihenfolge der musikalischen Stücke zwischen Mozart und Salieri passt wunderbar, und zwischendurch gibt es noch eine Rossini-Arie. Alle gängigen Opern- und Sängerklischees werden pointiert überzogen bedient. Und mittendrin der Impresario Johann Buff Actori, der mit kabarettistischem Witz und viel Selbstironie auf den Theaterbetrieb im Allgemeinen und auf die Oper Leipzig im Besonderen durch die Handlung führt. Nowack lässt dieses Pasticcio auf einer kleinen, erhöhten Bühne auf dem Orchestergraben spielen, für die Stefan Böttcher verantwortlich zeichnet. Alle Requisiten passen in die Zeit von Mozart und Salieri, und die Auswahl historischer Kostüme von Andrea Seidel macht diesen Abend auch zu einem Augenschmaus. Selbst das Orchester hinter der kleinen Bühne spielt von historisch anmutenden Notenpulten, die durch Kerzen illuminiert werden. Einzig die Putzfrau im Originalkittel der Leipziger Oper holt das amüsierte Publikum aus seinem Schwelgen zurück in die harte Gegenwart.

Doch nicht nur das Publikum darf sich amüsieren. Die Protagonisten haben selbst größten Spaß an dieser Darbietung und stacheln sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Eun Yee You als Primadonna Donna Eleonora gibt die Vielseitigkeit ihres Könnens an diesem Abend zum Besten. Neben perlenden Koloraturen, dramatischen Ausbrüchen und Piano-Tönen begeistert sie durch ihr komödiantisches Spiel.

Jennifer Porto als ihre Rivalin Tonina steht Eun Yee You in nichts nach. Ihr leichter, heller Sopran meistert mühelos alle Verzierungen, und mit viel Witz und Koketterie nimmt sie die Herren der Schöpfung für sich ein und geizt nicht mit ihren Reizen. Musikalischer und komödiantischer Höhepunkt des Abends ist der Wettstreit um den Titel der ersten Sängerin.

Jochen Kupfer als Maestro und David Pichlmaier als Poeta duellieren sich mit ausdrucksstarkem Bariton und buhlen mit Charme und Grandezza um die beiden Sängerinnen. Und natürlich darf das Salz in der Suppe nicht fehlen, der italienische Tenor. Filippo Adami als Herr Vogelsang gibt seinem Rollennamen alle Ehre, singt seine Arien mit italienischem Schmelz und Belcanto und parodiert das Primadonnengehabe mit Falsett-Stimme und großen Gesten.

Chin Meyer gibt den Impresario Johann Buff Actori mit großen Worten und Gesten. Er verteilt subtile Anspielungen und offene Seitenhiebe auf die Kulturszene und den Opernbetrieb in Leipzig, ohne dabei unter die Gürtellinie zu gehen. Seine kabarettistischen und satirischen Anspielungen im kulturellen Bereich ernten große Lacher, während so manche aktuelle politische Anspielung ihr Ziel verfehlt. Dennoch führt Meyer sicher durch die Handlung und hat großen Anteil daran, dass dieses Experiment gelingt. Katja Beer als neugierige Putzfrau, die sich später als getarnte Controllerin entpuppt, die dem laufenden Theaterbetrieb den Etat um 300.000 Euro kürzt, bringt den Impresario fast um den Verstand.

Anthony Bramall leitet das Gewandhausorchester mit großem Esprit und trägt das Sängerensemble via Monitor. Bo Price am Hammerklavier ist ein sicherer Begleiter.

Nach eindreiviertel Stunden ohne Pause endet ein kabarettistisches Opernamüsement, das diesen Namen zu Recht trägt. Mozart hätte gelacht, Salieri auch, und das Leipziger Publikum hat sich ebenfalls köstlich amüsiert. Am Schluss gibt es großen Applaus und Jubel für das gesamte Ensemble einschließlich Orchester, Dirigenten und Regieteam. Das Wagnis Pasticcio ist der Oper Leipzig hervorragend gelungen, und der eine oder andere wünscht sich sicherlich eine Wiederholung. Auch das ist eine Kunstform, die Gattung Oper einem breiteren Publikum näher zu bringen.

Andreas H. Hölscher

 





Fotos: Andreas Birkigt