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Fakten zur Aufführung 

DORNRÖSCHEN
(Engelbert Humperdinck)
26. Oktober 2013
(Premiere am 8. Juli 2012)

Oper Leipzig


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Sang und Klang fürs Kinderherz

Wenn ein Opernhaus ein Werk mit dem Titel Dornröschen auf den Spielplan setzt, so denkt man unweigerlich an die Ballett-Adaption des Grimmschen Märchens mit der wunderbaren Musik von Peter Tschaikowski. Kaum einer kennt jedoch die Märchenoper aus der Feder von Engelbert Humperdinck, der vor dieser Komposition schon die Meisterwerke Hänsel und Gretel sowie Die Königskinder komponiert und zur Uraufführung gebracht hat. Die Oper Leipzig hat dieses weitgehend unbekannte Bühnenwerk nun in einer halbszenischen Version speziell für Kinder zur Aufführung gebracht.

Humperdinck war zeitlebens geprägt durch den musikalischen Einfluss Richard Wagners, dem er bei der Entstehung des Parsifal assistieren durfte und dessen Schüler er war. Und diese musikalische Prägung spiegelt sich auch in diesem Werk wider, wenngleich er sich von der Leitmotivtechnik gelöst und mehrere Stile miteinander verwebt. Da gibt es Anklänge an Tannhäuser im Vorspiel, in den Chorszenen an die Meistersinger, und auch Parsifal klingt hier und da durch, und natürlich hat Humperdinck auch Anleihen an seinen eigenen Werken genommen. Doch im Gegensatz zu Hänsel und Gretel sind die großen symphonischen Momente geringer, und manchmal klingt Humperdinck operettenhaft süß, insbesondere in der Anlage des Röschen und des Prinzen Reinhold.

Das Märchen ist bekannt. In der Libretto-Fassung von Elisabeth Ebeling und Bertha Filhés steht Prinz Reinhold im Mittelpunkt, der den bösen Zauber der Fee Dämonia überwindet und sein Röschen aus 100-jährigem Schlaf erweckt. Auch ein Märchenonkel fehlt nicht. Friedrich Eberle führt aus der Loge des Intendanten mit kraftvoller Erzählstimme durch die Geschichte und spielt sich mit Anthony Bramall am Pult des Gewandhausorchesters die Bälle zu. Die Geschichte wird halbszenisch erzählt, ohne großes Bühnenbild, mit dem Orchester auf der Bühne. Verena Graubner hat dieses Märchen liebevoll eingerichtet und die Personenregie kindgerecht arrangiert, so dass die Kleinen, auch ohne den gesungenen Text zu verstehen, schnell zwischen Gut und Böse unterscheiden können. Die Kostüme von Franka Lüdke sind märchenhaft farbig, die Feen könnten optisch sofort als Blumenmädchen im Parsifal fungieren, während die böse Fee Dämonia eher als eine Kreuzung aus Knusperhexe und Klingsor erscheint.

Sängerisch ist allerdings nicht immer märchenhaft, was da auf der Bühne präsentiert wird. Olena Tokar als Röschen begeistert mit ihrem klaren Sopran und kindlicher Ausstrahlung und erobert sofort die Herzen der ganz kleinen Zuschauer. Auch Sebastian Fuchsberger überzeugt als Prinz Reinhold mit operettenhaftem Charme und wohlklingendem Buffo-Tenor. Dagegen ist Lilli Wünscher in der Rolle der Rosa, der Königin der Feen, eine klare Fehlbesetzung. Mit zu starkem Vibrato und einem unangenehmen Stimmansatz wirkt die Stimme besonders in den Höhen schrill, und selbst geschulte Ohren können den Text nicht mehr verstehen. In einer Inszenierung für Kinder ist ein derartiger Auftritt inakzeptabel! Auch Karen Lovelius als Morphina, Fee des Schlafes, reiht sich in diese Kategorie nicht-verständlich und zu starkes Vibrato ein, dabei hat die Mezzosopranistin durchaus ein warmes Fundament. Dagegen ist Anika Paulick als Blanka, Fee der Unschuld, mit ihrem hellen und klaren Sopran ideal besetzt, ihre Arie erklingt wie die Fortsetzung des Taumännchens aus Hänsel und Gretel. Katja Beer gibt die böse Fee Dämonia mit großer Dramatik, aber sehr verständlich. Die Buhs am Ende von den Kindern darf in deren Verständnis als Kompliment für den bösartigen Auftritt gewertet werden. Und Jennifer Porto als quirlige Fee Quecksilber bringt noch einmal etwas Spannung in das Geschehen. Die restlichen Feen singen solide, aber ebenfalls nicht sehr textverständlich.

Gleiches muss man heute auch dem Chor unter der Leitung von Allessandro Zuppardo attestieren, der zwar sangesfreudig von der Hinterbühne agiert, aber mit dem Orchester keine große Harmonie eingeht. Anthony Bramall leitet das Gewandhausorchester mit gewohnt klarem Gestus und großem Engagement, die Übergänge zwischen orchestraler Begleitung und symphonischer Erzählung gelingen gut, die verschiedenen musikalischen Stile werden schön verbunden, dennoch kommt eine große Emotion wie bei Hänsel und Gretel nicht auf.

Nach gut einer Stunde ohne Pause ist Schluss, und das überwiegend kindliche Publikum scheint von der Darbietung recht angetan zu sein. Auch wenn das Werk an seine Vorgänger Hänsel und Gretel und Königskinder musikalisch nicht herankommt, so darf die Absicht der Oper Leipzig, Familien mit kleinen Kindern den Einstieg in die Oper zu ermöglichen, sicher als gelungen bezeichnet werden.

Andreas H. Hölscher





Fotos: Andreas Birkigt