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Fakten zur Aufführung 

MASKERADE
(Carl Nielsen)
12. Mai 2012
(Premiere)

Theater Krefeld Mönchengladbach, Theater Krefeld

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

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Komödie muss sein



Ulrike Aistleitner, Dramaturgin für Musiktheater, und Graham Jackson, Generalmusikdirektor, erzählen von der dänischen Nationaloper (6'39).

 

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Getöse in der Hochkultur

In diesen Tagen ist viel von der Oper als Hochkultur zu lesen. Und davon, dass wir uns das nicht mehr leisten können. Das Theater Krefeld Mönchengladbach hat jetzt einmal gezeigt, wie Oper auch als Produkt für die Masse aussehen kann. Endlich mal eine Komödie, in der nichts ausgelassen wird, was wir nicht schon kennen. Auch Product Placement  findet seinen Platz. Als Grundlage für das Spektakel muss Carl Nielsens Maskerade herhalten, die gern mit der Zauberflöte verglichen wird und als dänische Nationaloper gilt. Wenn man was „fürs Volk“ produziert, so ja wohl auch die vorherrschende Meinung bei einschlägigen Fernsehproduktionen, muss es wohl in erster Linie sinnentleert sein. Wenn man bei der Krefelder Maskerade-Inszenierung eine Regie-Idee entdecken will, dann ist es am ehesten die, das Geschehen von jedem Sinn zu befreien, um möglichst viel Klamauk unterzubringen.

Eigentlich ist die Holbergsche Komödienvorlage eher einfach gestrickt. Zwei junge Leute lernen sich auf einem Maskenball kennen und verlieben. Unabhängig davon versuchen zwei Väter, ihre Kinder zu verheiraten. Schnell ist klar, dass das die beiden Väter des Paares sind, und natürlich wird sich am Ende alles in Freude und Harmonie auflösen. Das bietet fantasievolle Möglichkeiten, einen süffigen, burlesken, sinnlichen, vielleicht auch komischen Abend zu inszenieren. Aron Stiehl verzichtet auf solche Feinheiten und schnitzt lieber einen groben Keil. Jürgen Kirner unterstützt ihn dabei mit der Bühnengestaltung. Zunächst verengt er den Bühnenraum und setzt eine kleine Drehbühne ein, auf der das Zimmer Leanders, ein Bad, eine Sauna und eine Küche zu sehen sind. Anschließend werden kleine „Reihenhäuser“ auf verschiedenen Ebenen der nun ganz genutzten Bühne gezeigt, in denen jeweils nur ein Bett und ein Stuhl untergebracht sind. Im letzten Bild steht ein überdimensionales Bett im Mittelpunkt, das von einigen Papp-Pflanzen umstellt ist. Das Team um Gaetan de Blecker sorgt für eine angemessene Beleuchtung. Dietlind Konold hat sich mit ihren Kostümen verschiedenen Motiven angepasst. Sehr viele Menschen tragen Schlafanzüge, später kommen die Verkleidungen für den Maskenball zum Einsatz. Hahn und Ei, Popeye und Olivia, Adam und Eva sind ebenso dabei wie die Kostüme einer Saucenfirma. Spätestens, wenn der Festordner, verkleidet als „Edelkrabbe“ mit Greifern, Fühlern und Glitzerkostüm, die Gäste auffordert, für fünf Minuten zu pausieren und die Masken abzulegen, wird deutlich, dass die Ideen oft nicht zu Ende gedacht sind: Kaum jemand legt seine Maske ab.

Diese Halbherzigkeit, die in plumpen Andeutungen endet, ist ärgerlich, weil überflüssig und auf billige Effekthascherei angelegt. Dass das Publikum johlt, grölt und gackert, macht es nicht besser. Spätestens, wenn Kopulationen in schlechtester Slapstick-Manier ohne jede Notwendigkeit auf die Bühne gerammelt werden, muss sich der Zuschauer fragen: Was guckst Du?

Der Preis der Sketchejagd liegt in der Qualität von Gesang und Musik. Michael Siemon wirkt nicht nur in der Darstellung blass, wird von einem durchaus durchschnittlichen Tobias Scharfenberger, vor allem, was die einförmige und wenig akzentuierte Stimme angeht, an die Wand gespielt. Sein Diener Henrik ist erheblich bühnenpräsenter als die eigentliche Hauptperson. Allen Ernstes spielt und singt Debra Hays die junge (!) Leonora. Große Momente gibt es nicht, dafür sehr viele, in denen sie nicht hörbar ist. Das verhält sich ähnlich zu Magdelone, Jeronimus‘ Frau, die von Satik Tumyan dargestellt wird und in erster Linie dadurch auffällt, dass ihr Kostüm in Höhe ihrer Brüste mit Spitztüten verziert ist. Jeronimus selbst, Vater von Leander, wird von Hayk Dèinyan interpretiert. Der patzt ebenfalls mit stimmlicher Uniformität, gerät in den tiefen Lagen in die Unverständlichkeit, gewinnt aber die Publikumsgunst mit seinem Hahnenkostüm, das er sehr überzeugend zur Schau trägt. Überzeugend ist in jeder Hinsicht Andrew Nolen, selbst wenn er - auch das bleibt dem Zuschauer nicht erspart - auf dem Busen einer Frau eine line anrichten und sie konsumieren muss. Ist wohl auch total lustig. Anscheinend sind die SängerdarstellerInnen so mit ihren Sketchen beschäftigt, dass der Raum für eine ordentliche Darstellung eng wird. Dass es auch anders geht, zeigt wieder einmal – wer sonst in Krefeld? – Walter Planté, dieses Mal als Leonoras Vater. Immer noch mit hervorragendem Stimmvolumen ausgezeichnet, glänzt er durch eine schier übernatürliche Spielfreude, wenn er einen Hummelflug nach dem anderen zeigt. Er ist auch derjenige, der beweist, dass man den größten Quatsch noch mit Würde spielen kann. Auch Matthias Wippich, der als Nachtwächter, Festordner und Korporal Mors Einsatz findet, kurzum: als Moderator des Abends, gefällt als „Edelkrabbe“. Ob sein tremoliertes Nachtwächterlied gefallen muss, sei dahingestellt. Eine interessante Interpretation ist es jedenfalls. Dass er jeden noch so alten Witz neu und interessant zu repetieren weiß, zeichnet ihn sicherlich aus. An diesem Abend hat er es nicht einfach und meistert seine Rolle doch überzeugend und gewinnend.

Der Chor scheint oft kurz vor der Überforderung, wie gebannt hängen die Blicke dann am Dirigenten, aber Maria Benyumova hat wieder einmal in der Einstudierung ganze Arbeit geleistet.  Ebenso wie Robert North, der für die echten Höhepunkte des Abends sorgt. Sein Ballett ist einfallsreich, stimmig und kurzweilig. Ob Hahnentanz oder Krabbenseitschritt: Das Tanzensemble überzeugt voll und ganz.

Graham Jackson wird das Theater Krefeld Mönchengladbach verlassen. Die Maskerade ist sein Abschlusswerk. Heiter, leicht, schnell und präzise will es daherkommen. Zwischentöne eingerechnet. Stattdessen servieren die Niederrheinischen Sinfoniker wenig Brillantes. Jackson kann die Musiker nicht recht begeistern. Bleibt zu hoffen, dass sich in den Folgevorstellungen mehr von der Leichtigkeit und Transparenz der Nielsenschen Musik einstellt.

Das Publikum stellt sich rasch auf die Comedy ein. Das kennt man aus dem Fernsehen. Was interessiert bei so viel plattem Witz noch die Gesamtleistung?  Krefeld Mönchengladbach hat möglicherweise eine zukunftweisende Produktion gezeigt: Der Mainstream wird bedient, Qualität gerät zur Nebensache und die älteren Damen aus dem Ensemble besetzen die jugendlichen Liebhaberinnen. Dazu gibt es ein Gewinnspiel im Programmheft und die Werbung eines Soßenherstellers. Was für Opernliebhaber wie eine Satire klingt, hört sich für Politiker wie das sich verändernde Kulturverständnis des Publikums an, dem man durch Einsparungen Rechnung tragen wird. Gut, dass Krefeld Mönchengladbach die Zukunft schon mal vorweggenommen hat.

Michael S. Zerban







Fotos: Matthias Stutte