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Fakten zur Aufführung 

DAS LAND DES LÄCHELNS
(Franz Lehár)
8. Dezember 2012
(Premiere)

Theater Krefeld und Mönchengladbach, Theater Krefeld


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Nummernrevue aus Möchtegern-China

Zweifelsohne hat die Inszenierung dieser „Operette ohne Happy-End“, als die Das Land des Lächelns berühmt wurde, ihre Tücken. Da gilt es Handlungsarmut mit Inhalt zu füllen, den Gesang der Einzelnen gegen die recht üppige Orchesterbesetzung zu verteidigen und möglicherweise auch noch einen originellen Ansatz zu finden. Das alles ficht Regisseur Jakob Peters-Messer nicht an. Dabei fängt alles so vielversprechend an…

In einem Halbrund aus Türen in zwei Reihen übereinander steht ein Flügel mit Bank, später ein paar Stühle. Platz genug für eine rauschende Party, um den Sieg der Wienerin Lisa bei einem Reitturnier zu feiern. Selbstverständlich in Frack und schwarzen Abendkleidern. Gegen Ende des ersten Aktes hebt sich das Halbrund hinweg, und so gelingt halbwegs passabel der Übergang nach Peking, weil dahinter eine Wand mit chinesischer Symbolik sichtbar wird. Im zweiten und dritten Akt wird diese Wand vor und zurück gefahren, zwischenzeitlich hängt ein Thron dran und wieder spielen ein paar Stühle und Requisiten eine Rolle. Bei den Kostümen der Solisten hält es Markus Meyer, der auch für die Bühne zuständig ist, chinesisch, ansonsten gehen ihm bei Akrobaten und Tänzerinnen die Ideen aus. Die Herren begnügen sich – wohl auch aus praktischen Erwägungen – mit langen Hosen, bei den Tänzerinnen werden roséfarbene Ganzkörperoveralls mit blauem Tüll überworfen. In Verbindung mit den roten Bändern, die die Damen durch die Luft kreisen lassen dürfen, eine durchaus gewagte farbliche Kombination. Das alles wird mit hübschen und wirkungsvollen Lichteffekten ausgemalt.

Eigentlich gilt Peters-Messer als Spezialist für Barockoper. Da sollte er gelernt haben, ein Nichts in Handlung umzuwandeln. Im Land des Lächelns entsteht mehr als einmal der Eindruck, er sei bei den Proben nur selten zugegen gewesen. Die Solisten nutzen jede Gelegenheit, um in Dialog mit dem Publikum zu treten. Am liebsten aus nächster Nähe, und das ist bekanntlich die Rampe. Da braucht man sich auch nicht mehr zu bewegen, was üblicherweise den Gesang vereinfacht. Das nutzt den Solisten aber nichts, weil sie vom Orchester gnadenlos an die Wand gespielt werden. So wechseln hölzerne Dialoge mit lautstarken Musiknummern ab, ohne dass sich auch nur jemand bemüht, eine Verbindung herzustellen. Um die musikalischen Intermezzi zu überbrücken, tritt gar zwischenzeitlich ein Feuerakrobat auf. Anschließend ist das Theater mit penetrantem Petroleum-Geruch erfüllt. Dass sich in einem solchen Umfeld die Frage nach einer Botschaft oder gar einem aktuellen Bezug überhaupt nicht mehr stellt, liegt nahe. Aber es bleiben ja die Schönheit Lehárscher Musik und die Hits dieser Operette.

Gassenhauer sind dabei gewesen, und die Älteren unter uns denken wohl heute noch mit Verzückung an die Interpretationen von Fritz Wunderlich, Anneliese Rothenberger oder Erika Köth. Alles Geschichte. Janet Bartolova verleiht der Lisa eine über weite Strecken unverständliche Stimme, forciert in den Höhen und ist permanent dem Publikum zugewandt, was mit dem Stück nichts zu tun hat und deshalb eher aufdringlich wirkt. Wenn Prinz Sou-Chong von einem Europäer wie Michael Siemon gespielt und gesungen wird, ist das per se eine Herausforderung, der man mit nach hinten gegeltem Haar allein nicht gerecht wird. Hier wäre ein bisschen mehr Fantasie in der Maske nicht schlimm gewesen. Mehr als einmal wirft der Tenor sich in Pose, um der Musik Lehárs nahezukommen. Das kostet zu viel Kraft, um noch rund, differenziert und mit Sinn für die Feinheiten singen zu können. So wird Gabriela Kuhn als Mi, Sou-Chongs Schwester, zum Glanzlicht des Abends. Sie ist diejenige, der ein wenig Handlung zugetraut wird, die ein bisschen Spaß ins Drama bringt und auch noch Zeit findet, ihrer Stimme differenzierten Klang zu verleihen. Unterstützt wird sie in ihrer Wirkung sehr schön von Carlos Petruzziello, der ansonsten den Grafen Gustav von Pottenstein eher wie auf einer Dorfbühne gibt, aber im Zusammenspiel mit Kuhn Ruhe und Wärme findet, um Als Gott die Welt erschuf, war’n alle Menschen gleich zur Begeisterung des Publikums zu singen. Die letzte Kaiserin von China ist in Krefeld Rosemarie Weber. Auf Automatismen und das Herbeten von Tradition reduziert, bleibt Weber weit hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Alle Möglichkeiten nutzt, wie immer, Maria Benyumova, wenn sie ihren Chor antreten lässt. In dunkle Kostüme und weiße Gesichtsmasken gekleidet, erstrahlt der Chor mit Präzision und Durchschlagskraft, gibt dem Fortgang der Ereignisse Wucht und Größe. Hervorragend, mal wieder.

Der Erste Kapellmeister Alexander Steinitz führt die Niederrheinischen Sinfoniker mit Verve und unglaublicher, nachvollziehbarer Präzision von einem Hit zum anderen. Mit größter Selbstverständlichkeit lenkt er Orchester, Sänger und Chor durch das Geschehen. Umso unverständlicher, dass ihm die Balance zwischen Sängern und Orchester nicht gelingt. Stärker ist ihm anscheinend das Verlangen nach dem großen Effekt im Orchester. Das hat er bei seinem Einstand besser hinbekommen. Und so wird sich das in den Folgevorstellungen sicher noch nivellieren lassen.

Das Publikum ist in Scharen geströmt. Schließlich stand auf dem Plakat „Operette“. Einmal mehr der Beweis, wie sehr die Menschen nach Operette dürstet. Im Saal bleibt kein Platz frei. Durchweg ältere Menschen haben den Weg durch Eis und Schnee auf sich genommen, um Dein ist mein ganzes Herz zu erleben. Das Volk ist gekommen, um seine Kunst zu erleben – möchte man etwas salopp formulieren. Und das Volk ist willig. So wird nach jedem Stück vergnügt und unbekümmert applaudiert. Auch wenn das Stück vielleicht noch nicht ganz zu Ende ist. Was zum Ende hin abnimmt. Da wird noch eine Weile rhythmisch geklatscht; aber angesichts der versagenden Applausordnung vergeht dann auch dem letzten noch der Spaß. Letztlich war’s schön, mal wieder einen Abklatsch von Lehárs Operette gehört zu haben. Da erinnert man sich doch gern der alten Zeiten.

Michael S. Zerban





Fotos: Matthias Stutte