Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LACHEN UND WEINEN
(Peter North)
12. April 2014
(Uraufführung)

Theater Krefeld Mönchengladbach, Theater Krefeld


Points of Honor                      

Musik

Tanz

Choreografie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Restauratives Ballett

Lachen und Weinen nennt Robert North, Ballettdirektor am Theater Krefeld Mönchengladbach, seine neueste Choreografie, die den Betrachter in die Zeit der Romantik im weiteren Sinne entführen soll. Um den dreiteiligen Abend zu gestalten, wählt er Musik von Frédéric Chopin und Franz Schubert. In Erinnerung findet ein altes Paar zu einer Bank im Park zurück, von wo aus sich die getanzten Erinnerungen an die erste Begegnung, glückliche und traurige Momente ergeben. Die Tänzer Yasuko Mogi und Takashi Kondo geben die gestalterische Grundrichtung des Abends vor. Es wird eine Uraufführung ohne Neuigkeiten. Die Kunst feiert sich selbst, ohne sich selbst neu zu entdecken. Politik, Gegenwartsbezug und Abstraktion bleiben außen vor. Das ist nett anzuschauen. Auf der Bühne eine Bank und das Tänzerpaar, davor im verkleinerten Graben, warum auch immer, der Flügel, an dem André Parfenov Chopin intoniert. Mogi in geblümten Kleidern, Kondo erst in Jeans, später in Anzughose mit Hemd, Krawatte und Hosenträgern, zeigen klassische Ballett-Elemente, handwerklich sauber ausgeführt, ohne dass der rechte Funke überspringen will.

Das ändert sich in Der Tod und das Mädchen. Ein Streichquartett, das aus Mitgliedern und Gästen der Niederrheinischen Symphoniker besteht, wiederum in den Graben gequetscht, spielt den zweiten Satz Andante con moto. So ganz neu ist die Choreografie nicht. Es ist ein Konzentrat des 1978 von North entwickelten Werkes. Dieses Mal bleibt die Bühne leer, um der auf dem Gedicht von Matthias Claudius basierenden Geschichte Raum zu geben. Elisa Rossignoli tanzt im schwarzen Kleid das Mädchen, Abine Leao Ka in martialischem Schwarz den Tod und Victoria Hay im hellblauen Gewand die dem Leben zugewandte Freundin. Fast schon möchte man die – hervorragend getanzten – Bewegungen vorausahnen. „Ganz wunderbar“, seufzt die ältere Dame zwei Reihen weiter gut hörbar. Und sie hat Recht, sagt das Publikum und spendet reichlich Applaus und Bravo-Rufe. Was fehlt, ist die Tiefe.

Zumindest die Tiefe im Raum leuchtet Gaëtan De Blecker in allen drei Teilen überzeugend aus. Er setzt die Tänzer wahrlich ins rechte Licht und sorgt für die rechte Atmosphäre des Abends. Etwas schwieriger ist es bei den Kostümen von Andrew Storer. Überzeugen sie in den ersten beiden Teilen, hinterlassen sie im dritten Teil einen anachronistischen Beigeschmack. Da tanzen Mädchen und Jungs in pastellfarbenen Kostümen mit braven Frisuren eine Schubertiade. So nennt man die Hauskonzert-Abende, die Franz Schubert mit Freunden veranstaltete, und bei denen er seine neuesten Kompositionen vorstellte. North hat dazu überwiegend Lieder aus der Winterreise ausgewählt, aber auch Lachen und Weinen sowie Der Erlkönig dürfen nicht fehlen. Rafael Bruck singt zum Klavierspiel von André Parfenov. Nachdem auch der Bariton zunächst im Graben beginnen muss, findet die Musik endlich auf die Bühne, ohne dass die Tänzer Schaden nehmen. Beim Erlkönig läuft es ein wenig aus dem Ruder: Parfenov gibt alles; was die Stimme Brucks nicht so ganz leisten kann. Das bleibt die Ausnahme. Trotzdem ist die Rezeption schwierig. Lauscht man dem lyrischen Lied oder folgt man der Bühnenhandlung? Beides zusammen überfordert zwischenzeitlich, wenn die Tänzer sich nicht gerade auf das Nachspiel der Lied-Inhalte oder Pantomimik einlassen.

Das alles gefällt im Gesamteindruck. Es wird ordentlich getanzt, die Musik ist stimmig und auf der Bühne ist die Ausstattung angemessen. Emotional kann man sich dennoch ganz gut entscheiden. Es gibt weder Lachen noch Weinen. In Watte gepacktes Ballett, das keinem weh tut und die Menschen erfreut, ohne dass sie sich gefühlsmäßig erschöpfen müssen. Popcorn-Kino nennt man das an anderer Stelle. Das füllt das Haus, und das Publikum reagiert mit allen Stufen des Beifalls. Vom Stampfen über Bravo-Rufe bis zu stehenden Ovationen wird hier alles geboten. Dem Tanz und seiner Entwicklung aber hat Robert North keinen Gefallen getan.

Michael S. Zerban

 

Fotos: Matthias Stutte