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Fakten zur Aufführung 

JOSEPH AND THE AMAZING TECHNICOLOR DREAMCOAT
(Andrew Lloyd Webber)
21. Juli 2011
(Premiere am 19. Juli 2011)

Theater Krefeld Mönchengladbach

Points of Honor                      

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Wenn Sie auf die erste Taste von links klicken, hören Sie den Audiobeitrag unseres Korrespondenten Michael S. Zerban (4'33).

 
 

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Biblischer Pop-Gesang

Die Geschichte des Musicals Joseph and the amazing Technicolor Dreamcoat ist lang und wechselvoll. Im Krefelder Theater hat sie nun einen weiteren Höhepunkt erreicht. Nach jahrelangen Vorarbeiten feierte das Stück im Oktober 1972 Premiere in einem kleinen Londoner Theater und startete von dort aus einen kleinen Siegeszug. In Deutschland wurde es in der Essener Inszenierung bekannt, die von 1996 bis 1999 im Colosseum-Theater aufgeführt wurde. Dann nahm die bekannte Balletttänzerin und -pädagogin Silvia Behnke sich des Stücks an, um es gemeinsam mit dem Choreographen Gianfranco Brogna für den Jugendclub des Theaters Krefeld und Mönchengladbach zu bearbeiten.

Sage und schreibe 72 Kinder und Jugendliche proben anderthalb Jahre die Geschichte vom Seher Joseph, der von seinen Brüdern aus dem Lande Kanaan nach Ägypten verkauft wird, dort Karriere als rechte Hand des Pharaos macht und sich schließlich seiner in Not geratenen Familie wieder gegenüber sieht. Unterstützt wird der Jugendchor von zehn Musikern unter der Leitung von Rochus Triebs. Da ist die Colosseum-Band: Sieben Musiker aus der Originalbesetzung der Essener Inszenierung; die werden von drei Musikern der Niederrheinischen Sinfoniker unterstützt.

Um die Bühne kümmert sich Henry Knorr, der liebevoll und sehr überlegt mit vergleichsweise wenig Mitteln ständige Variationen des Bühnenbilds erzeugt, die meistenteils von den Akteuren selbst inszeniert werden. Unterstützt wird er von der Bühnenprojektion Peter Schmitz‘, die in erster Linie die Atmosphäre unterstreicht. Kathrin Beutelspacher betont mit ihren Kostümen das jeweilige Ambiente einfühlsam und ohne Übertreibung. Bei der Anfertigung der Kostüme haben ihr die Schüler der Kunst-AG in der Volksgarten-Schule Mönchengladbach geholfen. Die haben unglaublich viel Fantasie bewiesen, ohne ins Absurde abzugleiten.

Eine der Stärken dieses Abends ist die „Ideenvielfalt ohne Übertreibungen“. Mit viel Witz und Originalität in den Details werden hier die Sinne angesprochen. Die Spielfreude und Konzentration der Jugendlichen lässt in keiner Sekunde nach. Insbesondere Erzählerin Maggi Gurzynska und Latif Alay als Josef überzeugen. Die eine in ihrer Leichtigkeit, mit der sie sich durch die Handlung bewegt, eben noch im Hintergrund, dann schon wieder mit großer Stimme an der Rampe. Ohne besondere Ausbildung begeistert ihre Stimme vor allen in den Höhen; dass es in der Bruststimme schon mal ein wenig vibriert, sieht man da gerne nach. Der andere, der sich nach eben bestandenem Abitur gern im Musical bewähren möchte, legt all seine Begeisterung in Stimme und Bühnenpräsenz – und zieht das Publikum ohne Starallüren in seinen Bann. Die „heimlichen Stars“ sind sicher die Brüder Josephs, die vor allem das Ende mit Chansons und hinreißenden Tanzeinlagen bestimmen. Zuvor  hat Julian Frey als Elvis-Imitator Pharao überzeugt. Joachim L. Bähr als Jacob liefert eine ordentliche Leistung ab, nimmt sich aber sehr zurück – und das ist gut so: Hier hat die Jugend das Wort.

Über die kleinen Patzer allerorten sieht man gern hinweg. Schließlich zeigen hier Jugendliche ohne Ausbildung die Kunst (und Schwierigkeit) eines leichthin gespielten Musicals von internationalem Format. Mit vollem Einsatz lenkt Rochus Triebs Darsteller und Musiker durch die Aufführung, stützt die Sänger auch schon mal engagiert mit angedeutetem Mitsingen – und weiß das Publikum auf seiner Seite, das nach den Gesangseinlagen spontan applaudiert. Mal mehr, mal weniger, ja nachdem welcher Klassenkamerad gerade seinen Auftritt hat. Die stehenden Ovationen waren ja schon nach der Pause klar; dass sie so nachhaltig ausfallen würden, ist nur gerecht.

Behnke hat hier ein Experiment gewagt – und gewonnen. Unglaublich, was sie da in anderthalb Jahren auf die Beine gestellt hat. Selbst dann noch, wenn sie sich der Unterstützung aller beteiligten Erwachsenen mit einzigartigem Einsatz gewiss sein konnte. Das Publikum ist hingerissen von den jungen Leuten, die zum ersten Mal eine solche Aufführung auf der Großen Bühne des Hauses riskiert haben. Eigentlich möchte man nur noch hinzufügen: Mehr davon.

Michael S. Zerban

 











 
Alle Fotos: Peter Phillips