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Fakten zur Aufführung 

DON CARLO
(Giuseppe Verdi)
21. Januar 2012
(Premiere)

Theater Krefeld Mönchengladbach,
Theater Mönchengladbach


Points of Honor                      

Musik

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Patriarchen versus Humanisten

Das Kreuz ist allgegenwärtig, es beherrscht das Bühnenbild genauso wie die Handlungsweise der Protagonisten. Dabei ist es nicht nur als Symbol der Inquisition zu sehen, die scheinbar alle Macht in sich vereint, sondern parallel auch im allgemein christlichen Sinne. Wenn ein Teil der Charaktere sich für Menschenrechte in Flandern einsetzt, Posa sogar dafür einen (Märtyrer-)tod stirbt und die Stimme vom Himmel als Nonne auftritt, scheint die Rolle der Religion zwiegespalten. Ein Zwiespalt herrscht auch im ebenso zentralen Bereich der Politik, der mit den menschlichen Bedürfnissen ringt. Der Herrscher zerbricht an selbstgeschaffenem Herrschaftsanspruch, er muss Liebe und Familie dafür opfern. Die Zerrissenheit der jeweiligen Protagonisten wird durch François De Carpentries Personenführung anschaulich gemacht, sei es Philipp II. im Zwiespalt zwischen Vater- und Herrscherrolle oder sein Sohn als Spielball der Mächte. Requisiten - wie Flaggen beim Autodafé, eine von der Decke herabgelassene Weltkarte und Videoprojektionen - überfrachten zum Glück nicht die Szene, sondern sind effektvoll eingesetzte Interpretationshilfen. Dass der Mönch, in dem viele Karl V. sehen, immer wieder gerade bei entscheidenden Szenen am Rande auftaucht, wirkt passend, denn in seiner Person vereinen sich sowohl der absolute Herrscher und der reuige Christ. Die christliche Interpretation wird durch die Wahl der 4-aktigen „Mailänder Fassung“ von 1884 gestützt. Zwar könnte man den 1. Akt der Urfassung vermissen, aber durch den Rahmen, der durch die Klosterszenen geschaffen wird, wirkt die Oper geschlossener.

Das Bühnenbild von Siegfried E. Mayer beeindruckt einerseits durch die wenigen Elemente, mit denen es auskommt, die andererseits aber eine umso größere Wirkung erzielen. Die rote Farbe, die einen gewaltigen Symbolhorizont innehat und die je nach Beleuchtung changiert, unterstützt die unterschiedlichen Szenenperspektiven von Kirche, Absolutismus, Blut, Erotik, Hass, Eifersucht. Etwas störend, obwohl auch gut in die Handlung mit einbezogen, ist das Grab Karls V. als ein Loch in der Mitte der Bühne. Notgedrungen müssen die Sänger um dieses Loch herum agieren und so wirkt das Geschehen auf der Bühne teilweise etwas statisch und lässt die Dialogpartner nicht zusammenkommen. Einen effektvollen Kontrast zum Bühnenbild bilden die üppigen Kostüme von Karine van Hercke, die historisch-modern gemischt sind. Der historische Teil ist den Hauptpartien vorbehalten, die sich wortwörtlich im Korsett der gesellschaftlichen und klerikalen Welt des 16. Jahrhunderts gefangen fühlen müssen. Vor allem die Kostüme der männlichen Hauptpartien fallen durch schwingende Umhänge auf. Man merkt die Lust der Darsteller zum Spiel mit den aufwändigen Kostümen.

Das Ensemble des Theaters Krefeld Mönchengladbach liefert sowohl darstellerisch wie auch stimmlich eine mehr als gute Leistung, die sich nach der Pause weiter steigert. Das Publikum lässt seiner Begeisterung freien Lauf und unterbricht mit einem schallenden „Brava“-Ruf für die Elisabeth das Orchester. Janet Bartolova mimt mit ausdruckstarkem, kräftigem Sopran glaubhaft die standhafte und unglücklich Verheiratete. Beeindruckend ist auch die bis in die Höhe durchgängig präsente Stimme von Erin Caves als Don Carlo. Das berühmte Duett mit Igor Gavrilov als Marquis de Posa artet fast zu einem sängerischen Kräftemessen aus, dem man aber nur allzu gerne zuhört. Insgesamt erntet das Ensemble viele Bravorufe und Szenenapplaus, der auch für Eboli, gesungen von Eva Maria Günschmann, nach ihrer Arie O don fatale aufbrandet, die sie mit Inbrunst und Können singt. Auch Matthias Wippich als Großinquisitor kommt gut beim Publikum an. Darstellerisch wie auch stimmlich gibt Hayk Dèinyan als Philipp II. den zerrissenen Herrscher, schwankend zwischen der Vater- und Herrscherrolle, und überzeugt mit Feingefühl und warmem Bass.

Der Chor und der Extrachor unter der Leitung von Maria Benyumova und Heinz Klaus beweist Professionalität und gutes Zusammenspiel. Getragen, gestützt und kommentiert wird das Geschehen auf der Bühne von den Niederrheinischen Sinfonikern. Graham Jackson führt das Orchester vom glasklaren Einsatz der Hörner bis zum dramatischen Schluss mit viel Gefühl. Die herausragende musikalische Leistung schlägt sich in der Anerkennung der Zuhörer nieder.

Leider sind im Zuschauerraum einige Plätze leer geblieben, doch das vergisst man beim langen und lauten Applaus, der auch dem Regieteam Bravos beschert.

Miriam Rosenbohm

 



Fotos: Matthias Stutte